Mit Zuversicht durch die Corona-Pandemie: wissensbasiert und demokratisch

Die Situation ist ernst. Wir befinden uns mitten in der zweiten Welle der Corona-Pandemie, die – wie von Wissenschaftler*innen und Mediziner*innen vorausgesagt – die Wintermonate bestimmt.

Wir wissen, dass es angesichts der Fortschritte in der Impfstoff-Entwicklung darum geht, gemeinsam und solidarisch durch die zweite Welle und den Winter zu kommen. Wir wollen so viele Neuansteckungen wie möglich verhindern, damit im Frühjahr und Sommer unser Leben nicht mehr durch massive Kontaktbeschränkungen geprägt sein wird. Die Pandemie wird auch dann nicht zu Ende sein, aber wir werden besser als aktuell mit ihren Folgen umgehen können, insbesondere auch dann, wenn Impfungen für Risikogruppen sowie für medizinisches Personal zur Verfügung stehen. Und wenn wieder mehr Aktivitäten im Freien statt in Innenräumen stattfinden können.

Die Pandemie stellt unsere Art zu leben in Frage. Für uns Bündnisgrüne ist die „alte Normalität“ nicht erstrebenswert, da in dieser Probleme entstanden, die durch die Pandemie verstärkt wurden. Wir wollen jetzt langfristige Weichen für eine gerechtere Gesellschaft stellen. Eine Gesellschaft, in deren Gesundheitssystem das Wohlbefinden der Menschen und nicht Profit im Vordergrund steht und der das Bildungssystem Ungleichheiten beseitigt statt sie zu verstärken.

Wir wissen: Nur Veränderung schafft Halt. Unsere Gesellschaft kann sich ändern. Wir gehen deshalb mit Mut und Zuversicht in die nächsten Monate. Wir wissen, dass keine einfache Zeit vor uns liegt. Als Gesellschaft müssen wir zusammenhalten, dürfen wir niemanden zurücklassen. Mit Solidarität, Rücksichtnahme aufeinander und einer auf Vernunft und wissenschaftlicher Erkenntnis basierten Politik wird es uns gelingen, in Deutschland, Europa und weltweit, diese Herausforderung zu meistern. Darauf bauen wir.

Die Pandemie bedroht die Demokratie und den Rechtsstaat

Seit Beginn der Corona-Pandemie wird auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes des Bundes und mittels Landesverordnungen drastisch in die Grundrechte aller Bürger*innen eingegriffen. Die Pandemie ist deshalb auch eine demokratische Zumutung. Über die Wege ihr zu begegnen, muss gestritten werden.

Die in der vergangenen Woche verabschiedete Novelle des Infektionsschutzgesetzes begrüßen wir. Mit dem 3. Bevölkerungsschutzgesetz wird die Bekämpfung der Pandemie demokratisch besser legitimiert und bekommt eine solide gesetzliche Grundlage. Wir können die Pandemie nur wirkungsvoll bekämpfen, wenn Infektionsschutzmaßnahmen einer gerichtlichen Überprüfung standhalten. Die Chancen dafür verbessert das vorliegende Gesetz erheblich.

Mit dem Gesetz gibt es jetzt Leitplanken, unter welchen Bedingungen in Grundrechte zur Sicherung der Funktionsfähigkeit unseres Gesundheitswesens eingegriffen werden darf und wie lange. Das Parlament beschreibt damit den Rahmen, innerhalb dessen Bundesregierung und Landesregierungen agieren können. Damit sind unsere Grundrechte besser geschützt. Zugleich ist mit diesem Gesetz weiterhin zügiges Reagieren auf das Infektionsgeschehen möglich.

Eine übergroße Mehrheit der Menschen im Land stützt die aktuellen Maßnahmen. Aber je länger die Pandemie andauert, desto mehr Raum braucht es für Information und Beteiligung der Parlamente. Die gesellschaftliche Akzeptanz der Maßnahmen und das Selbstverständnis unserer Verfassung erfordern den öffentlichen Diskurs und die parlamentarische Verankerung derart gravierender Maßnahmen. Deshalb streiten wir in Sachsen-Anhalt für ein Landes-Infektionsschutzgesetz, das die Beteiligung des Landtags stärkt.

Grundrechte dürfen nicht über Monate hinweg allein von der Exekutive eingeschränkt werden. Für uns Bündnisgrüne gilt: Transparenz schafft Sicherheit und Vertrauen. Wir wollen Grundlagen für die jeweiligen politischen Entscheidungen vermitteln sowie die Verfahren und Kriterien offenlegen, die den dabei unumgänglichen Abwägungen zugrunde liegen. Wir erwarten daher von der Landesregierung, dass sie die ihren Entscheidungen zugrunde liegenden Daten jederzeit transparent macht. Dazu sind die in den unterschiedlichen Teilen der öffentlichen Verwaltung vorhandenen Daten als offene, maschinenlesbare Daten für alle Bürger*innen und das Parlament datenschutzkonform bereitzustellen.

Der Landtag von Sachsen-Anhalt soll darüber hinaus für die Zeit der pandemischen Lage in jeder Plenarperiode neben der regulären Befragung der Landesregierung einen Tagesordnungspunkt „Informationen der Landesregierung zur Pandemischen Lage“ vorsehen.

Zudem ist die Diskussion in Landesregierung und Parlament durch einen Pandemiebeirat zu begleiten. Hier sollen Vertreter*innen unterschiedlicher Fachrichtungen aus der Wissenschaft, den kommunalen Spitzenverbänden und Vertreter*innen wie der Kinder- und Jugendring oder der Landesseniorenrat zusammenkommen und Hinweise sowie Empfehlungen an die Landesregierung und den Landtag erarbeiten.

Die zunehmend von Rechtsextremen unterwanderten Demonstrationen und Kundgebungen so genannter “Querdenker”, d.h. Corona-Leugner*innen, erweisen sich nicht nur als unverantwortliche Corona-Parties, weil Abstände nicht eingehalten und elementare Hygieneregeln nicht beachtet werden. Sie sind geprägt von Verschwörungsmythen und Antisemitismus.

Wir streiten als Bündnisgrüne dafür, dass auch in der Pandemie das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit umfänglich genutzt werden kann. Angriffe auf Journalist*innen und Polizeibeamt*innen, wie sie wiederholt und massiv von den Corona-Leugner-Demonstrationen ausgegangen sind, verurteilen wir in aller Schärfe. Wir erwarten, dass Polizei- und Versammlungsbehörden kluge Auflagen zum Schutz aller machen (insbesondere Maskenpflicht, Abstandsregeln und ggf. eine Maximalzahl für Teilnehmer*innen) und mit Konsequenz gegen jene vorgehen, die Auflagen zum Schutz der Gesundheit missachten.

Corona-Leugner*innen muss durch uns alle widersprochen werden. Als Bündnisgrüne versammeln wir uns hinter den Erkenntnissen der Wissenschaft und streiten für einen vernunftgeleiteten Weg durch die Pandemie.

Wo sich Corona-Leugner*innen weiter radikalisieren, braucht es klare Antworten auch der Sicherheitsbehörden. Wo der Rechtsstaat durch diese angegriffen und die freiheitlich-demokratische Grundordnung unterminiert wird, darf durch die Behörden nicht weggeschaut, sondern muss eingegriffen werden.

Für ein starkes Gesundheitssystem

Wir danken allen Ärzt*innen, Pflegekräften und Physiotherapeut*innen, die seit Jahren unter den strukturellen Schwierigkeiten fehlgeleiteter Bundesgesundheitspolitik leiden und unter den aktuell pandemiebedingt komplizierten Verhältnissen einen bewundernswerten Job machen.

Hier setzt auch unsere Kritik an. Seit Jahren ist von Bundesebene verschlafen worden, Arbeitsbedingungen und Bezahlung im Gesundheitssystem im Allgemeinen und in der Pflege im Besonderen wirksam zu verbessern. Die Pandemie hat nun alle Schwachstellen offengelegt. Es sind jetzt einige Verbesserungen auf den Weg gebracht worden. So ist auch den Gewerkschaften zu danken. Der von ihnen verhandelte neue Tarifvertrag gibt eine positive Richtung zu Wertschätzung von Pflege und Aufwertung, insbesondere der Intensivpflege vor.

Kurzfristig muss die Fachkräftebasis vergrößert werden, indem mittels „Willkommens-Programm“ medizinische Fachkräfte, die in andere Bereiche abgewandert sind, zurückgewonnen werden. Die Delegation und Substitution von ärztlichen Leistungen auf Pflegekräfte und Gesundheitsberufe muss vorangetrieben werden, ebenso wie die Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsabschlüssen.

Auf Landesebene werden wir die Zukunft der Krankenhäuser und deren Veränderung hin zu dauerhaft funktionierenden Orten der gesundheitlichen Versorgung durch steigende Investitionsmittel stärken. Dazu ist es dringend nötig, über einen Runden Tisch auf Landesebene die strategische Planung der Krankenhauslandschaft voranzutreiben. Wir wollen Rahmenbedingungen schaffen, damit die zuständigen Akteur*innen vor Ort moderne und innovative Formen der Versorgung entwickeln können. Wo nötig wollen wir Bündnisgrüne die derzeit 47 Krankenhausstandorte so umbauen, dass sie dauerhaft als Orte der medizinischen Versorgung erhalten bleiben, unter der Maßgabe Sicherung der Daseinsvorsorge. Das heißt für uns: Notambulanzen, Chirurgie, Kardiologie, Pädiatrie, Gynäkologie und Entbindungsstationen. Alles Weitere muss im Dialog aller für die Gesundheitsversorgung Verantwortung Tragenden nach dem Prinzip von Konzentration und Spezialisierung entwickelt werden.

Digitalisierung kann auch das Gesundheitswesen krisenfester machen. Um Onlinesprechstunden oder digitale Fallkonferenzen verstärkter nutzen zu können, brauchen wir verstärkten Breitbandausbau und ein Landeszentrum für Telemedizin.

Wir müssen den öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD), als wesentliche Säule der medizinischen Versorgung anerkennen und konkurrenzfähige Bezahlung der dort Diensthabenden gewährleisten. Wir brauchen an den Universitäten 5 Prozent reservierte Studienplätze für Studierende, die im Anschluss im ÖGD arbeiten wollen, ähnlich der Landarztquote. Die Kommunen müssen bei der Aufwertung des ÖGD unterstützt werden, mittels einer landesweiten Kampagne. In dieser sollte gleichzeitig für die Einhaltung der AHA-L Regeln, also Abstand halten, Hygieneregeln umsetzen, Alltagsmasken tragen und regelmäßig Lüften geworben werden, sowie für Erhöhung der Impfbereitschaft. Das Land sollte durch Bereitstellung von Räumen in öffentlichen Institutionen die Durchführung von Impfaktionen unterstützen.

Mit klugen Teststrategien schützen

Besonders dort, wo Menschen in Gruppen zusammenkommen oder besonders gefährdete Menschen sich aufhalten, ist der Schutz vor Infektion herausfordernd.

Schüler*innen und Lehrer*innen, Kitakinder und Erzieher*innen, Patient*innen, Bewohner*innen und Pflegekräfte müssen sich darauf verlassen können, dass das Land alles tut, um Schutz und Alltag miteinander in Einklang bringen zu können.

In Pflegeeinrichtungen schützt eine Testroutine vor Infektionen und Einsamkeit durch Besuchsverbote, in Kliniken ermöglichst sie einen reibungslosen Ablauf und ermöglicht Routinebehandlungen auch innerhalb der Pandemie und in Schulen und Kitas kann sie die Verbreitung des Virus und damit die Schließung von Einrichtungen und großflächige Quarantäne verhindern.

Mit den nun verfügbaren Schnelltests haben wir ein wirksames Instrument für große Testreihen in der Hand. 

Wir sehen das Land in der Pflicht, mit einer konzertierten Teststrategie vulnerable Bereiche in den Blick zu nehmen, die praktische Umsetzung zu konzipieren und die Testungen nicht nur durch die Bereitstellung der dafür notwendigen Testkits, sondern auch durch die finanzielle Absicherung der nötigen personellen Ressourcen abzusichern.

Schule und Kita

Kinder leiden seit Monaten unter den Einschränkungen der Pandemie auf vielen Gebieten, insbesondere im Bereich der Bildung. Für eine gute Entwicklung brauchen Kinder den Umgang mit anderen Kindern. Dies ist nicht durch dauerhaften Fernunterricht zu ersetzen. Nach den einschränkenden Monaten zu Beginn dieses Jahres hat sich deutlich gezeigt, welche z.T. verheerenden Folgen die allgemeine Schließung von Schulen und Kitas erzeugt. Daher begrüßen wir das oberste Ziel, trotz Pandemie Kitas und Schulen grundsätzlich offen zu halten.

Bildung muss dennoch sicher gemacht werden. Denn auch in Kindereinrichtungen und Schulen kommt es derzeit verstärkt zu Infektionen.

Damit Kitas und Schulen grundsätzlich geöffnet bleiben können, erwarten wir vom Bildungsministerium, Schule grundsätzlich neu zu denken. Dies soll in einem mittel- und langfristig orientierten Strategieplan festgeschrieben werden.

Wir erwarten transparente Information zur Pandemielage an den Schulen im Land (tgl. aktualisierte Übersicht zu Fällen, Quarantäneanordnungen etc. auf den Seiten des Ministeriums), eine beschleunigte und konsequente Fortführung der Digitalisierungsbemühungen für Schulen mit dem Ziel, dass für alle Schulen im Land bis spätestens zum Jahreswechsel hybrider Unterricht – auch in geteilten Klassen – möglich ist.

Wirtschaftshilfen

Es ist unsere Aufgabe als Politik dafür zu sorgen, dass die Lasten der Corona-Katastrophe solidarisch getragen werden. Wir müssen dort helfen, wo Existenzen bedroht sind, wo Ängste entstehen. Dafür muss schnell gehandelt werden. Jeder Tag ist für die Betroffenen kostbar. Wir brauchen zur Sicherung der betroffenen Unternehmen daher die zügige Ausreichung der Corona-Hilfen des Bundes im Land. Die eingespielte Arbeitsstruktur der Investitionsbank Sachsen-Anhalt muss ggf. durch Landesbedienstete verstärkt werden.

Die bisherigen Löcher der Überbrückungshilfen, die insbesondere beim Unternehmerlohn für Soloselbständige bestanden und Existenzen gefährdeten, werden mit der Novemberhilfe zunächst geschlossen. Wir müssen jedoch auf die weitere Entwicklung vorbereitet sein und wollen einen Corona-Nothilfefonds im Land schaffen, damit sich kurzfristig abzeichnende neue Lücken im Netz der Hilfen des Bundes jeweils schnell geschlossen werden können.

Wir schaffen ein Landesprogramm Kultur, das gezielt betroffene Kulturbereiche fördert und fordern ein Programm für den Neustart des Kultur- und Veranstaltungsbetriebs nach Corona.

Besonders betroffen sind Studierende, deren Jobs wegfallen, die jedoch nicht sozialleistungsberechtigt sind. Sie brauchen gezielte finanzielle Unterstützung und – vor allem am Ende ihres Studiums – Perspektiven für den Einstieg in das Arbeitsleben. Unterstützung muss auch jenen Auszubildenden zustehen, die in Folge der Corona-Situation ihren Ausbildungsplatz verloren haben.

Die Stabilisierung der Wirtschaft erfolgt auch über die Kommunen. Die aktuelle Steuerschätzung zeigt, wir brauchen auch für 2021 eine zumindest teilweise Erstattung der ausgefallenen Gewerbesteuern vor Ort.

Die Politik muss der Wirtschaft Orientierung bieten. Bei allen Maßnahmen, die über die Nothilfen zur Stabilisierung hinausgehen, werden wir darauf drängen, dass das mobilisierte Geld dazu dient, unsere Art des Wirtschaftens klimaneutral und ressourcenschonend umzubauen.

Beschlossen auf dem Digitalen Landesdelegiertenrat am 27. November 2020