Sachsen-Anhalt lebt und liebt bunt: Konsequent für Gleichberechtigung vielfältiger Lebensweisen und Verbesserung der Situation von LSBTTI

Zwölf Jahre nach Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes hat sich einiges für die Verbesserung der Lebenssituation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans* und Inter* (kurz: LSBTI) getan. Seit dem können Lesben und Schwule auch in Sachsen-Anhalt ihren individuellen Entwurf einer gemeinsamen Lebensführung leichter verwirklichen und rechtlich absichern lassen. Die gesellschaftliche Akzeptanz von LSBTI ist deutlich gestiegen.

In einer Reihe von Bundesländern wie beispielsweise Berlin, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sind gesamtgesellschaftliche Aktionspläne für Akzeptanz von LSBTI und gegen Homo- und Transphobie bereits in Umsetzung. Ausgrenzung und Gewalt gegen LSBTI werden gesellschaftlich thematisiert statt totgeschwiegen. Auch in Bereichen, wo jegliche Abweichung von einer implizierten heterosexuellen Norm lange Zeit ein Tabuthema war, wie zum Beispiel im Sport, in der Kirche oder in der Bundeswehr, beginnt heute ein gesellschaftliches Umdenken.

Aber es bleibt viel zu tun: Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans* und Inter* machen immer noch zu häufig Erfahrungen von Diskriminierung und werden Opfer von Anfeindungen und Gewalt. Ein Teil der Diskriminierungen – vor allem rechtliche – lassen sich genau benennen. Andere sind schwerer zu fassen und zu quantifizieren. Dies liegt auch an der mangelhaften Datenlage in Sachsen-Anhalt, wie die Große Anfrage von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Landtag zur Lebenssituation von LSBTI ergab. Dies erschwert die politisch notwendige Urteilsbildung und schränkt die Handlungsfähigkeit ein. Die Förderung von Forschung zur Akzeptanz sexueller Vielfalt in Sachsen-Anhalt und wirksamen Maßnahmen zu deren Verbesserung ist der erste Schritt zum Fortsetzen einer ernst gemeinten Antidiskriminierungspolitik für Sachsen-Anhalt, die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der ersten rot-grünen Landesregierung von 1994 bis 1998 in unserem Bundesland angeschoben hatte. Ein von der damaligen bündnisgrünen Landtagsfraktion federführend am 7. April 1995 eingebrachter Antrag führte auf der Landtagssitzung am 18. Januar 1996 zum Beschluss
Beschluss war die Basis für eine nachfolgende, erste Antidiskriminierungsarbeit in Sachsen- Anhalt.
Im Jahr 1997 verabschiedete Rot-Grün in Sachsen-Anhalt ein „Gesetz zum Abbau von Benachteiligungen von Lesben und Schwulen“ (Antidiskriminierungsgesetz). Damit einher ging die Ergänzung von diversen Landesgesetzen, Verordnungen und Richtlinien um das Merkmal der sexuellen Identität. Damit übernahm Sachsen-Anhalt eine Vorreiterrolle, die ohne den Druck von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht denkbar gewesen wäre.

In der außerparlamentarischen Opposition von 1998 bis 2011 hatten BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen-Anhalt keine Einflussmöglichkeiten zur Fortsetzung der damaligen Initiativen. Als Folge davon erlebte die Antidiskriminierungsarbeit große Rückschritte, so dass wir heute an vielen Stellen von vorn beginnen müssen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden sich auch weiterhin für eine nachhaltige Antidiskriminierungsarbeit und für eine verlässliche Verbesserung der Lebenssituation von LSBTI in Sachsen-Anhalt einsetzen.

Doch als BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN wollen wir auch eine gesellschaftliche Vision artikulieren: Wir kämpfen auf allen Ebenen für eine Gesellschaft, in der die Kategorie Geschlecht keine Rolle mehr spielt! In diesem Sinne denken wir unsere emanzipative Frauen-, Gender- und Queerpolitik zusammen, kämpfen gegen jede Form von Diskriminierung, für eine queere Gesellschaft und gegen Geschlechternormen!

I. Zweigeschlechtlichkeit überwinden – eine Gesellschaft für alle

Wir leben in einer Gesellschaft, die zu tiefst von einem binären Geschlechtersystem geprägt ist. – und ihnen werden bestimmte Rollen zugeschrieben. Diese Kategorisierung von Menschen diskriminiert und schränkt vor allem Menschen ein, die von dieser Norm abweichen. Als BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN richten wir uns deswegen in unser Frauen-, Gender- und Queerpolitik konsequent gegen Geschlechterrollenbilder.
Zu den Menschen, die von der zweigeschlechtlichen Norm abweichen, zählen vor allem trans* und intersexuelle Menschen, aber auch alle anderen Menschen, die nicht ins binäre Geschlechtersystem passen. Wir setzen uns für eine Gesellschaft ein, in der alle Formen Geschlechtlichkeit und Sexualität zu leben anerkannt werden.

Dazu muss als allererstes die Diskriminierung trans* und intersexueller Menschen beendet werden!
Aber wir müssen auch auf allen Ebenen für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt kämpfen- in der Bildung, auf der Straße und im gesellschaftlichen Diskurs.

BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt fordern daher auf Bundesebene:

  • die Entscheidung über genitalangleichende Operationen und alternative Behandlungsmethoden obliegt den Betroffenen. Bis zum Alter von 14 Jahren entscheiden die Gerichte. Die Entscheidung richtet sich nach dem Wunsch der Betroffenen selber, dem Kindeswohl und der Fähigkeit zur geschlechtlichen Selbstbestimmung.
  • die Einführung einer dritten Option bei der Angabe des Geschlechtes gegenüber staatlichen Stellen.

auf allen Ebenen:

  • die Förderung von Möglichkeiten zum Diskriminierungsabbau wie z.B. der Pflicht zur Schaffung von Unisex-Sanitäranlagen bei genügender räumlicher Kapazität in staatlichen Gebäuden am Vorbild des Bezirkes Friedrichshain-Kreuzberg

II. Diskriminierung beenden – Eine EHE FÜR ALLE!

Als BürgerInnenrechtspartei mit einem tiefen Gleichberechtigungsbedürfnis hatten BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN von Anbeginn ein klares Ziel vor Augen: Die vollständige Gleichberechtigung für gleichgeschlechtliche Lebensweisen im Eherecht, auf dem Weg hin zu einer gleichberechtigten Förderung aller Familienformen, auch ohne Ehe. Dies war mit der SPD unter Rot-Grün damals nicht möglich. Die Eingetragene Lebenspartnerschaft wurde daher 2001 als ein Kompromiss unserer bündnisgrünen Regierungsbeteiligung ins Leben gerufen, den die SPD für eine rechtliche Absicherung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften mitzutragen bereit war. Ohne BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hätte es diesen ersten wichtigen Schritt zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare nicht gegeben.

Seit dem Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes wurden auch in Sachsen-Anhalt im Zuge von Anpassungen im Landesrecht erhebliche Benachteiligungen und Defizite im Lebenspartnerschaftsgesetz und seinen Ausführungsbestimmungen behoben. Aber dennoch bestehen für Eingetragene LebenspartnerInnen noch erhebliche Unterschiede im Vergleich zur Ehe: Eingetragene LebenspartnerInnen haben zwar gleiche Pflichten, sind aber weder im Steuer- noch im Familienrecht Eheleuten gleichgestellt. Das Steuerrecht behandelt Eingetragene LebenspartnerInnen immer noch als Fremde. Seit 2005 können in Lebenspartnerschaft lebende Lesben und Schwule die leiblichen Kinder ihrer PartnerIn adoptieren. Sie gehen damit die gleichen Pflichten ein wie heterosexuelle Adoptiveltern (z.B. im Bereich der Unterhaltszahlungen), können aber keine Kinderfreibeträge geltend machen. Die Möglichkeiten zur gemeinsamem Adoption von Kindern bzw. der heterologen Insemination sind Eingetragenen LebenspartnerInnen verschlossen. Die Eingetragene Lebenspartnerschaft bleibt eine konkrete Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität dar. Nach vielen Bundesverfassungsgerichtsurteilen, die stets im Sinne der Gleichberechtigung standen, – zuletzt das Urteil zur Suksessivadoption durch Eingetragene LebenspartnerInnen -, fordern BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen-Anhalt die Abschaffung dieses Sonderinstituts und die Einführung einer „Ehe für alle“.

Alle vorliegenden Studien legen nahe, dass kein nennenswerter Unterschied zum Leben in Familien mit verschiedengeschlechtlichen Eltern auszumachen ist. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind davon überzeugt, dass es nicht von der sexuellen Identität der Eltern abhängt, ob Kinder behütet und gesund aufwachsen.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt fordern daher auf Bundesebene:

  • die Zustimmung der Landesregierung zu Bundesratsinitiativen zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare bzw. Ehe für alle,

auf Landesebene:

  • Die konsequente Umsetzung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) und der vier EU-Antidiskriminierungsrichtlinien (2000/43/EG, 2002/78/EG, 2006/54/EG und 2004/113/EG) in allen Bereichen des sachsen-anhaltischen Landesrechts,
  • Gleichbehandlung von Eingetragenen Lebenspartnerschaften und Ehe in Sachsen- Anhalt beim beamtenrechtlichen Familienzuschlag rückwirkend zum 1. August 2001.

III. Regenbogenfamilien fördern

Soziale Elternschaft stärken – Mitverantwortung ermöglichen

LSBTI Eltern sind genauso gute Eltern wie heterosexuelle Menschen. Dennoch sind Regenbogenfamilien häufig auch anders. Nicht selten übernehmen hier mehr als zwei Personen Verantwortung für ein Kind. Ein lesbisches Paar sucht einen schwulen Samenspender oder zwei Paare verwirklichen gemeinsam ihren Kinderwunsch. Dann haben die Kinder mehr als zwei erwachsene Bezugspunkte – wie bei Patchworkfamilien übernehmen weitere Erwachsene Verantwortung für Kinder. Das können zum Beispiel der oder die neue PartnerIn eines Elternteils sein.

Diese sozialen Eltern übernehmen reale Verantwortung für die Kinder: sie bringen sie zur Schule und in den Kindergarten, gehen mit ihnen zum Arzt oder verreisen mit ihnen in den Urlaub. Rechtlich gesehen sind sie jedoch praktisch Fremde für ihre Kinder. Sie dürfen formal keine Entscheidungen treffen. Tritt ein Todesfall ein, haben die Kinder weder Unterhalts- noch Erbschaftsansprüche gegenüber ihren sozialen Eltern. Selbst eine Verbleibensanordnung zu Gunsten eines sozialen Elternteils sieht das Gesetz im Moment nicht vor – egal wie lange die Kinder bei ihren sozialen Eltern gewohnt haben. Das alles ist nicht im Sinne des Kindeswohls.

Uns Bündnisgrünen in Sachsen-Anhalt sind alle Kinder wichtig. Deshalb unterstützen wir den Vorschlag der Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, wonach ein Institut für elterliche Mitverantwortung geschaffen werden soll. Dieses soll neben den leiblichen Eltern maximal zwei weiteren Erwachsenen elterliche Mitverantwortung übertragen, wenn sich alle Beteiligten – inklusive des Kindes – einig sind und keine Sorgerechtsstreitigkeiten bestehen. Die elterliche Mitverantwortung soll gegenüber dem Jugendamt erklärt und mit einem Elternausweis dokumentiert werden. Das Jugendamt soll dabei alle Beteiligten beraten. Für Regenbogenfamilien soll es möglich sein, bereits vorgeburtlich verbindliche Regelungen zu vereinbaren. Ein ähnliches Konzept wird bereits in Großbritannien angewandt und in den Niederlanden geprüft.

Die elterliche Mitverantwortung umfasst alle Entscheidungen des täglichen Lebens und von erheblicher Bedeutung mit Ausnahme des Aufenthaltsbestimmungsrechts, dem Namensrecht und der Religionswahl. Bei Uneinigkeit soll – wie bisher auch – das Familiengericht entscheiden, welcher der Erwachsenen im Kindeswohl entscheiden soll. Das Kind soll seinem Alter entsprechend an der Entscheidungsfindung beteiligt werden.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen der tatsächlich übernommenen, sozialen Verantwortung für ein Kind, gerecht werden und aus rechtlicher Unsicherheit resultierende Alltagsprobleme vermeiden.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt fordern daher auf Bundesebene:
 Schaffung eines Instituts für elterliche Mitverantwortung zur rechtlichen Absicherung der sozialen Elternschaft.

IV. Antidiskriminierungsarbeit und Partizipation von LSBTI ausbauen

Im Jahr 1990 wurde der „Schwulenverband der DDR/in Deutschland (SVD)“ (seit 1999 LSVD) u.a. durch Eduard Stapel, welcher von 1997 bis 1999 auch Landesvorsitzender unserer Partei war, gegründet. Inzwischen arbeiten seit mehr als 20 Jahren in Sachsen-Anhalt zahlreiche Vereine und Initiativen zur Förderung der Akzeptanz sexueller Vielfalt. Sie beraten Lesben, Schwulen, Bi-, Trans-, Intersexuelle und Transgender und ihre Angehörigen.

Eine politische Vertretung im Land erfahren diese Organisationen jedoch kaum. Dabei arbeiten sie seit Jahren kontinuierlich und mit wachsender Professionalität am Lesben- und Schwulenpolitischen Runden Tisch (LSpRT) zusammen und sind AnsprechpartnerInnen, wenn es um die Bedürfnisse von Menschen unterschiedlichster sexueller Identität geht.

Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist das Engagement für eine Verbesserung der Situation von LSBTI ein wichtiger Baustein für eine an den Bedürfnissen der Menschen orientierten Politik, die eine konsequente Einbindung von LSBTI-Verbänden als selbstverständlich ansieht.

Die Lebenserfahrungen von LSBTI sind sehr unterschiedlich und reichen von völliger Akzeptanz bis zu Beschimpfungen und tätlichen Angriffen. Gleichzeitig kommen Studien zu dem Ergebnis, dass 50 % der Befragten negative Einstellungen gegenüber homo- oder bisexuellen Frauen und Männern haben. Vorurteile sind also lange noch nicht ausgeräumt. Gegenüber trans* und intersexuellen Menschen hingegen herrscht weitgehend Unwissenheit vor.

Die Anerkennung sexueller Vielfalt lässt sich nicht verordnen, durch gezielte Aufklärungsarbeit lassen sich jedoch Vorurteile und Berührungsängste abbauen. Schulen und Vereine sind gute Orte, um diese zu thematisieren. LehrerInnen, SozialarbeiterInnen fungieren hier als MultiplikatorInnen. Sie sollen mit Aus- und Weiterbildungen für den Schutz vor Diskriminierung sensibilisiert und zu einem souveränen Umgang mit sexueller Vielfalt befähigt und ermutigt werden. Gerade im Sport sind homo- und transphobe Tendenzen bis zur offenen Diskriminierung nicht selten. Daher muss auch dort verstärkt Antidiskriminierungsarbeit geleistet werden.

Sachsen-Anhalt braucht eine strikte Anwendung des Allgemeinen Gleichbehand-lungsgesetzes (AGG) einen fortwährenden Aktionsplan für Akzeptanz von LSBTI und gegen Homo- und Transphobie, mit dem die Maßnahmen zur Antidiskriminierung gebündelt werden. Dabei sollte besonderes Augenmerk auf den Bildungsbereich gelegt werden.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt fordern daher auf Landesebene:

  •  Unabhängige Landeskoordinierungsstelle zur LSBTI-Thematik mit Netzwerkfunktion zur Sicherstellung einer kontinuierlichen Zusammenarbeit der Landesregierung mit Nichtregierungsorganisationen, die sich mit den Problemen von Lesben, Schwulen, Bi- Trans- und Intersexuellen sowie Transgendern beschäftigen, um

a) den fachlichen Austausch zu verbessern,
b) gesamtgesellschaftliche Defizite zu analysieren und
c) Ansätze zur Verbesserung der Lebenssituation von LSBTI zu entwickeln und umzusetzen,
 die Wiedereinführung eines Referates für gleichgeschlechtliche Lebensweisen bzw. LSBTI mit Verankerung im Ministerium für Justiz und Gleichstellung zum Wirken innerhalb der Landesverwaltung, der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt,

  • Förderung der Akzeptanz von sexueller Vielfalt in unserer Gesellschaft durch die Erarbeitung eines Aktionsplans gegen Homo- und Transphobie durch die Landesregierung in enger Abstimmung mit dem Lesben- und Schwulenpolitischen Runden Tisch Sachsen-Anhalt (LSpRT)
     die Verankerung des LSBTI-Themas in Lehrplänen und Rahmenrichtlinien aller Schulformen und die stärkere Berücksichtigung dieses Themas bei der Zulassung von Unterrichtsmaterialen,
     eine gesicherte und auskömmliche Förderung von Vereinen und Verbänden, die Antidiskriminierungsarbeit leisten,
     einen Dialog mit den religiösen Gemeinschaften, kirchlichen Vereinigungen und Einrichtungen, um gegenüber LSBTI Vorurteile abzubauen.

auf kommunaler Ebene:

  •  Förderung der Akzeptanz von sexueller Vielfalt in unserer Gesellschaft durch lokale Aktionspläne gegen Ausprägungen des Heterosexismus, wie Homo- und Transphobie in Sachsen-Anhalts Kommunen, in enger Abstimmung mit dem Lesben- und Schwulenpolitischen Runden Tisch Sachsen-Anhalt (LSpRT),
  • eine gesicherte und auskömmliche Förderung von Vereinen und Verbänden, die Antidiskriminierungsarbeit leisten.

V. Gewalt gegenüber LSBTI aufklären

Einerseits wird ein Trend zu steigender Akzeptanz von sexueller Vielfalt und Lebensweisen, insbesondere von lesbischen und schwulen Lebensweisen wahrgenommen. Zugleich aber zeigen Befragungen eine so hohe Zahl von homo- und transphoben Gewalttaten, dass die vermeintliche Akzeptanz in ihrer wirklichen Ausprägung zu hinterfragen ist. 16 % der Schwulen und 8 % der bisexuellen Männer haben tätliche Übergriffe erlebt. Mehr als die Hälfte geben an, aufgrund ihrer sexuellen Identität beleidigt worden zu sein.

Oft aber werden sogar tätliche Übergriffe nicht bei der Polizei angezeigt. Die von Gewalt Betroffenen haben Angst stigmatisiert zu werden oder glauben, dass ihre Anzeige zu keinem Ergebnis führt. Um das Vertrauen in Polizei und Justiz zu stärken, müssen diese befähigt sein, Fälle von vorurteilsbasierter Gewalt gegen LSBTI zu erkennen und dabei vertrauensvolle Ansprechpersonen für die Opfer sein. Auch dies muss Teil eines umfassenden Aktionsplans zur Stärkung von Toleranz sein.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt fordern daher auf Landesebene:

  •  eine auskömmliche Finanzierung des durch den LSVD betriebenen Überfall-Telefons,
  •  ein Ausbau des allgemeinen Beratungsangebotes in Bereich von LSBTI,
  •  mehr konkrete Ansprechpersonen für LSBTI in den Polizeidienststellen Sachsen-Anhalts,
  •  Schaffung einer Landeskoordinierungsstelle zur LSBTI-Thematik innerhalb des Polizeiapparates, nach dem Vorbild Berlins, für eine dauerhafte Sensibilisierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Umgang mit LSBTI, zur umfassenden und zielorientierten Aus- und Weiterbildung, aber auch als AnsprechpartnerIn für ehrenamtliche polizeiliche Ansprechpersonen, sowie für die Bürgerinnen und Bürger,
  •  Aus- und Fortbildung der Polizei zu vorurteilsmotivierten Gewaltdelikten
  • Aus- und Fortbildung des Justizpersonals zu vorurteilsmotivierten Gewaltdelikten.

VI. LSBTI-Jugendliche unterstützen

Jugendliche haben unabhängig von der sexuellen Identität ein Recht auf individuelle Förderung und bestmögliche Bedingungen zur Persönlichkeitsentwicklung. LSBTI-Jugendliche sollen selbstbestimmt, angst- und diskriminierungsfrei leben können. Ihnen fehlt es aber oft an Personen, denen sie sich besonders in der Frage ihrer sexuellen Selbstbestimmung anvertrauen können. Hilfe erfahren sie kaum oder gar nicht, mitunter nicht einmal von den eigenen Eltern. Die daraus resultierende starke Einsamkeit und Hilflosigkeit dieser Jugendlichen macht sie häufiger als heterosexuelle Jugendliche gefährdet für psychische Störungen, Depressionen und Substanz-Missbrauch. Ein vier- bis sechsfach höheres Selbstmordrisiko homosexueller Jugendlicher gehört seit Jahren zur Realität und ist ein klares Anzeichen für die Schwierigkeiten, unter denen homosexuelle Jugendliche sich durch das Leben kämpfen.

Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist ein professioneller, nicht von persönlicher Erfahrung abhängiger Umgang mit dem Thema sexuelle Vielfalt der Gesellschaft in allen Schulen und Jugendvereinen die Grundlage für eine Unterstützung von LSBTI-Jugendlichen.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt fordern daher auf Landesebene:

  •  ein umfassendes Paket an Präventionsstrategien, um die Zahlen von Mobbing und Gewalt sowie Suizidversuchen zu senken,
     Vereine und Verbände, die LSBTI-Jugendliche und ihre Angehörigen beraten und unterstützen, weiter zu fördern,
  •  eine wissenschaftliche Studie zur Lebenssituation von LSBTI-Jugendlichen
  • Fort- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern und pädagogischen Fachkräften, sowie im Sport
  •  die Verankerung des Themas in den Lehrplänen und Rahmenrichtlinien aller Schulformen und die stärkere Berücksichtigung dieses Themas bei der Zulassung von Unterrichtsmaterialien,
  •  die Sensibilisierung von Tätigen in Schulsozialarbeit, Kinder- und Jugendhilfe zur Aufklärung in Hinsicht auf sexuelle Vielfalt und gleichgeschlechtliche Lebensweisen zur Prävention von Diskriminierung und Gewalt.

VII. Keine Diskriminierung von LSBTI im Alter

Viele alte Lesben und Schwule sind geprägt von der starken Diskriminierung und Verfolgung in der Ära des § 175 StGB, der männliche Homosexualität kriminalisierte. Ihnen fällt ein offener Umgang mit diesem Thema besonders schwer. Zugleich fordert die Generation offen lesbischer oder schwuler Menschen, ihre jeweiligen Bedürfnisse auch im Alter zu berücksichtigen mit Konsequenzen für Pflege- und SeniorInnenarbeit heute und in Zukunft.

Die Lebenssituation älterer Lesben und Schwuler, Bisexueller, aber auch Trans- und Intersexueller (LSBTI) muss daher in der SeniorInnenpolitik Sachsen-Anhalts und bei praktischen Angeboten für SeniorInnen Beachtung finden. Aus Sicht von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN brauchen wir die Unterstützung für MitarbeiterInnen der Altenhilfe und -pflege durch Aus- und Weiterbildung über Lebenssituation und Bedürfnisse von betagten LSBTI. Dabei setzt selbstbestimmtes Leben im Alter voraus, die Bedürfnisse älterer LSBTI zu erkennen, um sie zu berücksichtigen. Dazu bedarf es einer Datenerhebung für die Situation in Sachsen-Anhalt, weil für viele LSBTI das Leben im Alter ein bedeutendes Thema ist, wie eine Befragung der Stadt München von 2003 zeigt. Eine Ablehnung eines gewünschten Einzugs von älteren LSBTI in eine Einrichtung für Betreutes Wohnen oder Pflegeheim aufgrund der sexuellen Identität darf es nicht geben. Gleiches gilt für Diskriminierung in entsprechenden Einrichtungen durch MitbewohnerInnen oder Personal.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt fordern daher auf Landesebene:

  •  Beachtung der Belange alter oder pflegebedürftiger LSBTI in der SeniorenInnenpolitik und aktive Einbeziehung alter LSBTI-MitbürgerInnen in die Gestaltung von Angeboten für SeniorInnen,
     zielgruppenspezifische Aus- und Weiterbildungsangebote für AkteurInnen der Altenpflege und SeniorInnenarbeit,
  •  aktuelle Studien, um die Wünsche und Bedürfnisse bedarfsgerecht ansprechen zu können.

IX. Stigmatisierung beenden Zwangstests abschaffen

Das Gesetz über die Sicherheit und Ordnung in Sachsen-Anhalt (SOG) erlaubt es der Polizei Hepatitis- und HIV-Zwangstestungen durchzuführen, auch wenn der HIV-Zwangstest als solcher nicht konkret im Gesetz enthalten ist. Diese Maßnahmen sind irrationalen Ängsten geschuldet und schützen keinerlei Polizeibeamte oder Menschen anderer helfender Berufe, sondern stigmatisiert schwule Männer oder Drogenkonsumenten unnötig als Risikogruppen und stellen eine Verletzung der Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und informationelle Selbstbestimmung dar. Ohne Einverständnis ist ein solcher Test nach geltendem Recht Körperverletzung.

Blutspende erlauben

Bei der Versorgung mit Blutkonserven kommt es immer wieder zu Engpässen. Zuletzt hat Mitte Februar der Haema Blutspendedienst Halle Alarm geschlagen, da wegen der Grippewelle und der kalten Witterung in den ersten Monaten 2013 weniger Spender zu verzeichnen gewesen sind, als in anderen Jahren, an den Pfingstfeiertagen gab es in mehreren Städten Alarmanzeigen. Doch homosexuelle Männer dürfen in Deutschland immer noch kein Blut spenden. HIV und Aids sind keine Schwulenseuche. Die Blutspende-Richtlinie legt bereits fest, dass jede Blutkonserve vor ihrer Freigabe ausgiebig im Labor untersucht werden muss – unter anderem auf eine mögliche HIV-Infektion. Auf Initiative von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich der Landtag von Sachsen-Anhalt nun dafür ausgesprochen die Blutspende für homosexuelle Männer zu erlauben.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt fordern daher auf Landesebene:

  •  Abschaffung der diskriminierenden Zwangstests im Gesetz über die Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt,
  •  eine Bundesratsinitiative der Landesregierung zur Neuregelung der Blutspendepraxis für eine Zulassung homosexueller Männer zur Blutspende.