Geblogt: Ein Plädoyer für gute Pflege

Heute ist der Internationale Tag der Pflege. Wir feiern ihn am Geburtstag von Florence Nightingale, einer Pionierin der modernen Krankenpflege.

Ein Text von Susan Sziborra-Seidlitz | Vieles hat sich entwickelt in der professionellen Pflege seit der Zeit ihres Wirkens im 19. Jahrhundert. Wir berufen uns heute auf eine begründende Wissenschaft; das Berufsbild hat sich gewandelt – weg von der dienenden, nur assistierenden „Wärterin“ und hin zu selbstbewussten Pflegefachpersonen (Männern und Frauen) mit eigenem Wirkungsbereich und deutlich abgegrenzten Kompetenzen.

Und dennoch: Die Motivation, in der Pflege zu arbeiten, ist wohl an vielen Stellen die Gleiche geblieben. Wir helfen Menschen, mühen uns, Leiden zu lindern und begleiten Kranke, Genesende und Sterbende und ihre Angehörigen auf guten und auf schweren Wegen. Wir kommen ihnen nah in Extremsituationen. Manchmal näher als enge Verwandte und wir umsorgen die uns Anvertrauten und die Sich-uns-Anvertrauenden Tag und Nacht.

Ja, in der Pflege zu arbeiten, kann sehr schwer und anstrengend sein.

Zuallererst körperlich, denn Menschen pflegen heißt eben auch Menschen zu bewegen oder in ihrer Bewegung zu unterstützen; heißt viel laufen, laute Umgebungsgeräusche, engtaktige Aufgaben. Aber auch seelisch, denn sich in den Grenzsituationen menschlichen Lebens von Patienten und ihrem Leiden persönlich abzugrenzen fällt nicht immer leicht. Und so wie sich unsere Klienten uns zwangsläufig ausliefern, sind auch wir ihnen ausgeliefert, sind immer da und Blitzableiter für Ängste und Nöte, aber auch für Ungeduld und Wut, wenn etwas mal nicht so läuft und funktioniert, wie es eigentlich sollte. Oder wenn das Essen nicht schmeckt. Oder einfach alles doof ist. Gleichzeitig wächst der Druck zu immer umfangreicherer und genauerer Dokumentation, weil Krankenkassen, der Gesetzgeber und Versicherer das eben so brauchen.

Aber schwerer wird unser Beruf auch, weil er uns immer schwerer gemacht wird. Den Personalmangel, über den man so schön akademisch diskutieren kann, spüren Pflegekräfte buchstäblich am eigenen Leib.

Fehlen Kolleg*innen, wird eben nicht die Produktion heruntergefahren – die Kranken sind ja trotzdem zu versorgen – nein, wir machen die Arbeit der Fehlenden einfach mit. Wir arbeiten noch ein wenig schneller, strengen uns mehr an, setzen „Prioritäten für diese besondere Situation“ (die dann schnell auch mal ins Alltägliche übergehen und unsere Standards verdrängen), versorgen immer mehr Patient*innen gleichzeitig.

Wir können immer seltener so arbeiten, wie wir es gelernt haben, wie wir es uns vorstellen, wie unser Berufsethos es uns gebietet.

Die Ursachen dafür sind vielfältig: neben vielen politischen Gründen verlieren die Berufe in der Pflege zunehmend an Attraktivität, so dass oft einfach der Berufsnachwuchs fehlt. Dabei – und das ist das Wichtigste – ist die Tätigkeit in der Pflege auch eine großartige Arbeit.

Es ist bereichernd, befriedigend und sinnstiftend, Menschen bei der Genesung zu helfen.

Diese Arbeit bietet Erfahrungen und Beziehungen, die andere Berufe nicht bieten können und auch in den Grenzregionen des Lebens können wir noch Gutes tun – und das ist schön.

Wir brauchen als Gesellschaft gute und engagierte Pflegekräfte, die ihren Job lieben und stolz auf ihn sind, und wir brauchen als beruflich Pflegende Kollegeninnen und Kollegen, die mit uns diesen tollen Job machen. Und davon viele. Denn mehr von uns ist gut für Alle!

Dafür setze ich mich politisch ein.

Neben einer auskömmlichen Finanzausstattung der Kliniken und einer Verbindlichkeit beim Einsatz der für Pflege kalkulierten Gelder (beispielsweise aus den Pflegestärkungsgesetzen) sind eine bessere und gemeinsame Ausbildung, eine Akademisierungsoffensive, tarifliche Vergütung in den Pflegeberufen und eine ernstzunehmende berufspolitische Selbstvertretung entscheidend dafür, dass wir in Zukunft genügend Pflegende in unserem Land finden. Die dann wie Florence Nightingale und doch ganz anders Menschen pflegen. Heute und an jedem Tag und in jeder Nacht.