Warum wir uns berechtigt sorgen sollten

Kaum zu glauben, es ist Mitte November 2018.  Als meine Schwester im November 1984 geboren wurde, betrug die Temperatur im Raum Leipzig-Halle 4 Grad Celsius. 34 Jahre später zeigt das Thermometer in der letzten Woche auf dem Brocken 15, in Halle 16 und in Dessau 17 Grad an. Auch in dieser Woche ist es mit über 10 Grad wärmer als es so kurz vor Weihnachten sein sollte. Während sich viele über die frühlingshaften Temperaturen und den Sonnenschein freuen, mache ich mir Sorgen. Sorgen darüber, was werden soll, wenn wir nicht bald handeln und der Klimakatastrophe entgegenwirken.

Ein Blogbeitrag von Miriam Matz, Beisitzerin im Landesvorstand.

Die GroKo beschäftigt sich in Berlin derweil mit anderen Dingen: die CDU kümmert sich um ihr Personal, die CSU freut sich über die Wiederwahl von Söder zum bayerischen Ministerpräsidenten und die SPD versinkt mehr und mehr in Ratlosigkeit und Selbstmitleid. So verziehen Wochen, Monate, Jahre und nichts passiert. Kohleausstieg? Ja, ist schon wichtig, aber irgendwann später dann.

„Gletscher, Weltmeere, Regenwald – das alles scheint weit weg.“

Doch nicht nur bei der Bundesregierung steht das Thema Klima nicht auf der Tagesordnung. Ein Teil der Bevölkerung betrachtet Umweltschutz gar als „Luxusproblem“. Diese Sichtweise kann ich sogar verstehen. Ich kann es verstehen, dass Menschen nach 40 Stunden Arbeit in der Woche plus Überstunden keine Lust haben, sich mit der Klimakatastrophe zu beschäftigen. Ich kann es verstehen, dass Menschen, deren Kinder unter Unterrichtsausfall leiden, den Lehrer*innenmangel als größeres Problem betrachten. Und ich kann es verstehen, dass Menschen, die jeden Cent dreimal umdrehen müssen, um bis Monatsende genügend Geld zu haben, eher keine ökologisch angebauten Lebensmittel kaufen, die häufig teurer sind als Obst und Gemüse aus Monokulturen oder Fleisch aus industrieller Massentierhaltung. In den Nachrichten hören wir eher von Kriegen, (Regierungs-)Krisen und anderen Katastrophen statt auch von positiven Ereignissen. Wer will da freiwillig noch mehr Negativschlagzeilen lesen?

Auch ich beschäftige mich eher mit anderen Themen als mit der Klimakatastrophe. Gletscher, Weltmeere, Regenwald – das alles scheint weit weg. Immer wieder begegnen uns Zahlen, wie viele Tonnen Antarktiseis abgebrochen und ins Meer gefallen sind, wie viele Hektar Regenwald in Südamerika täglich gerodet werden und wie viele Tonnen Plastik sich in den Weltmeeren befinden. Doch diese Mengen sind so groß, dass wir sie mit unserer Vorstellungskraft eigentlich kaum erfassen können. Und es ist alles so weit weg.

Dass es so weit weg gar nicht ist, haben wir in diesem Sommer selbst erfahren. Monatelang hat es nicht geregnet, wochenlang waren auch die Nächte tropisch heiß. Dass dieses Wetter extrem war und sich da etwas ändert, ist den meisten Menschen bewusst. Trotz aller Katastrophen von Dürren, über Jahrhunderthochwasser – die nun alle paar Jahre stattfinden -, zu Stürmen, verdrängen wir das Thema wieder, sobald die gröbsten Schäden beseitigt sind.

„Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt!“

Das können wir uns nicht mehr leisten. Wir haben auch wenig Zeit, noch darüber nachzudenken, was das alles für unsere Lebensweise bedeuten könnte. Wir müssen handeln, besser heute als morgen. Natürlich taucht dann wieder die Frage auf: Warum denn wir in Deutschland? Warum nicht auch die anderen Staaten? Die, in denen das Klima noch mehr belastet wird als bei uns? Die Antwort: In Deutschland können wir nur darüber entscheiden, was in Deutschland passieren soll. Wir können nicht über das Handeln anderer Staaten entscheiden, wir können nur mahnen, als Vorbild vorangehen und Hilfe anbieten. Deshalb sind Klimaabkommen wie das von Paris so wichtig. Deshalb ist es so fatal, dass die USA aus dem Abkommen ausgestiegen sind und andere wahrscheinlich folgen werden. Es ist einer der Gründe, weshalb wir Grüne uns besonders für Europa einsetzen: ein Kontinent kann mehr erreichen als ein einzelner Staat. Es ist das Wissen, dass wir die Herausforderung Klimakatastrophe nur gemeinsam mit anderen Staaten angehen können. Viele zusammen sind stärker als ein Staat alleine.

„Wir haben die Erde von unseren Kindern nur geborgt!“ – dieser urgrüne Satz gilt heute mehr als je zuvor. Wir haben es in der Hand, das Gletscherschmelzen, Artensterben und die Erwärmung des Planeten in Grenzen zu halten. Viele Modelle erzählen davon, wie die Welt 2050 sein wird, wenn wir nicht handeln. Dann werde ich erst 55 sein. Wird der Zeitpunkt kommen, an dem ich Kindern erklären muss, wann der Regenwald verschwand, wann der letzte Menschenaffe in Freiheit starb oder wann der Tag kam, an dem sich in den Meeren mehr Plastik als Fische befand? Ich hoffe und wünsche mir, dass dieser Tag nicht kommen wird, doch sicher bin ich mir da nicht. Deshalb ist es wichtig und richtig, dass sich weltweit immer mehr Menschen für Umweltschutz einsetzen und der Klimakatastrophe entgegenwirken. Besonders toll ist, dass immer mehr junge Menschen verstehen, dass sie diejenigen sind, die in Zukunft am ehesten von der fortschreitenden Katastrophe betroffen sind, und daher für Umweltschutz streiten, für den Erhalt von Wäldern demonstrieren und kreative Lösungen entwickeln. Deshalb lasst uns junge Menschen mitmachen und mitentscheiden, in zivilgesellschaftlichen Gruppen, in Parteien und besonders in Parlamenten. Lasst uns über unsere Zukunft entscheiden! Denn wir haben kaum noch Zeit und nur diesen einen Planeten. Rettet ihn gemeinsam mit uns und gebt so dem Leben eine Chance!