Tatkräftig, innovativ, zukunftsfest – Das Handwerk in Sachsen-Anhalt stärken!

Handwerker*innen sind ein Stützpfeiler der sachsen-anhaltischen Wirtschaft. Über 15.000 Handwerksunternehmen mit über 130.000 tätigen Menschen sind die Grundlage für regionale Wirtschaftskreisläufe, Ausbildung, Beschäftigung und Wertschöpfung vor Ort. Sie stehen mit Traditions- und Qualitätsarbeit seit vielen Jahrzehnten und länger für frisches Brot aus der Backstube, stabile Türen aus der Tischlerei und sichere, saubere Kamine dank fachkundiger Schornsteinfeger*innen. Handwerker*innen im Jahr 2022 stehen aber auch für moderne PV-Anlagen auf Dachflächen, W-LAN in Schulen und verlässliche Gleisanlagen. Das Handwerk ist heute so vielfältig wie noch nie, aber es steht vor vielen Herausforderungen und unter großem Druck. Wir Bündnisgrüne fühlen uns Handwerk und Mittelstand in Sachsen-Anhalt verbunden und wollen gemeinsam sicherstellen, dass das Handwerk gestützt wird und ein attraktiver Beruf und Ausbildungsberuf bleibt. Handwerk ist nachhaltig, aus der Region und für die Region. Auch hier wird in Generationen gedacht und lokale Wirtschaftskreisläufe spielen eine besondere Rolle. Alle drei Kernpunkte sind auch grüne Herzensanliegen und zeigen unsere inhaltliche Verbundenheit. Darüber hinaus ist das Handwerk wichtiger Partner zur praktischen Umsetzung von Energie- und Wärmewende für Unabhängigkeit und Klimaschutz.

Dem Fachkräftemangel begegnen

Wir kämpfen für die Anerkennung handwerklicher Berufe und beruflicher Bildung in Sachsen-Anhalt. Dafür setzen wir schon in der Schule bei der Berufsorientierung an, wo die Chancen und Vorteile von Handwerksberufen eine größere Aufmerksamkeit finden müssen. Wir wollen, dass neben der Hochschullaufbahn die berufliche Bildung gleichberechtigt ihren Platz findet, um allen Menschen über das Erkennen der eigenen Talente und Interessen den Weg in den richtigen Beruf zu ebnen. Eine Ausweitung von Berufspraktika innerhalb der Schullaufbahn junger Menschen hat für uns große Priorität, mindestens zwei Berufspraktika ab Klasse 7 sollen die Regel werden. Die Berufsorientierung in den Schulen soll durch eine engere Kooperation mit Wirtschaft und Handwerkskammern verbessert werden. Das Pilotprojekt „Bezahltes Ferienpraktikum für Schüler*innen“ ist ein Erfolg und muss entsprechend fortgesetzt werden. Mit einer Kampagne Grüner Berufe im Handwerk kann herausgestrichen werden, dass hier Klimaschutz täglich praktisch gemacht wird. Die Attraktivität und Bedeutung des Handwerks kann damit für junge Menschen deutlich gemacht werden, um sie für diese Gewerke zu gewinnen. Das Land muss gemeinsam mit den Kammern dafür eine Berufskampagne für Handwerk und Klimaschutz zimmern.

Wir werden den massiven Fachkräftemangel nur erfolgreich angehen können, wenn alle Menschen, die es wollen, einen attraktiven Weg in die Ausbildung finden. Individuelle Benachteiligung wollen wir durch eine Verbesserung im Übergang Schule-Beruf und durch Berufseinstiegsbegleitung ausgleichen. Gemeinsam mit dem organisierten Handwerk muss das Land an einer Förderung junger Menschen mit Migrationsgeschichte arbeiten, um diese für einen Handwerksberuf zu gewinnen. Auch geflüchtete Menschen müssen eine Ausbildung beginnen dürfen und eine langfristige Bleibeperspektive erhalten. Die neuen Möglichkeiten des Chancenaufenthaltsrechts sind zum Wohl der Menschen und des Handwerks zu nutzen und vom Land und Ausländerbehörden maximal auszureizen. Abschiebungen in der Ausbildung verurteilen wir als zutiefst inhuman und wirtschaftsfeindlich.

Besonders Frauen braucht das Handwerk! Wir wollen daher am Abbau von geschlechterspezifischen Stereotypen im Handwerk arbeiten, Mentorinnenprogramme fördern und die Bedingungen für Frauen in Handwerksberufen verbessern, beispielsweise beim Mutterschutz für selbstständige Handwerker*innen.

In Qualität und Attraktivität der Ausbildung investieren

Wer Menschen in Ausbildung bringen will, muss gleichzeitig aber auch in die Qualität und Attraktivität von Ausbildungsgängen investieren. Dazu gehört eine faire Ausbildungsvergütung, wie auch leistbare Fahrtwege, vor allem zwischen Wohnort, Berufsschule und Ausbildungsbetrieb.

Eine faire Ausbildungsvergütung heißt für uns, dass diese die Mindestausbildungsvergütung nicht unterschreitet und tariflich gebunden ist. Finanzielle Sicherheit und Unabhängigkeit vom Elternhaus für Auszubildende ist eine Frage von sozialer Gerechtigkeit. Zudem ist dies für junge Menschen ein entscheidender und oft zwingender Faktor in der Wahl des Lebensweges und deshalb so wichtig, um die Ausbildung attraktiver zu machen. Daher setzen wir uns auch für eine grundsätzliche Schulgeldfreiheit ein. Stattdessen brauchen Auszubildende in schulischen Ausbildungen Anspruch auf BAföG.

Berufsbildende Schulen sind ein wesentlicher Bestandteil einer zukunftsfähigen Aus- und Weiterbildung. Sie werden gerade vor dem Hintergrund gestiegener Weiterbildungsanforderungen im Rahmen des Strukturwandels an Bedeutung gewinnen. Wir wollen daher mit den Gewerkschaften, Arbeitgeber*innen, Kammern und den Landkreisen einen Berufsschulpakt schließen und dafür Sorge tragen, dass die Standorte der Berufsbildenden Schulen bedarfsgerecht weiterentwickelt werden. Mit Ausbildungsverbünden wollen wir die Attraktivität von Handwerksbetrieben steigern, damit sie ihre Ausbildungsplätze besetzen können.

Junge Menschen brauchen Auswahlmöglichkeiten und Angebote, die ihren Neigungen entsprechen. Je nach Wohnort fehlt es allerdings oft genau daran – insbesondere, aber nicht nur, in den vielen ländlichen Regionen Sachsen-Anhalts. Wir setzen uns auch deshalb für eine umlagefinanzierte Ausbildungsgarantie ein. Junge Menschen sollen ein gesetzlich verankertes Recht auf einen Ausbildungsplatz bekommen. Hürden, wie z.B. die Feststellung der sog. Ausbildungsreife müssen abgeschafft werden. Die Umlagefinanzierung hilft bei der tatsächlichen Umsetzung dieses Anspruchs. Alle Betriebe zahlen hierbei in einen Zukunftsfonds ein. Die Gelder daraus werden u.a. an ausbildende Betriebe ausgezahlt und schaffen so einen Anreiz, mehr Ausbildungsplätze zu schaffen. Ein weiterer Teil der Gelder wird genutzt, um das Netz und die Qualität überbetrieblicher Ausbildungszentren zu verbessern. Außerdem werden die Mittel aus dem Fonds genutzt, um außerbetriebliche Ausbildungen dort zu ermöglichen, wo trotz aller Bemühungen keine betrieblichen Ausbildungsplätze geschaffen werden kann.

Zur Attraktivität der Ausbildung gehört auch der Pendelverkehr zwischen Wohnort, Berufsschule und Ausbildungsbetrieb. Dafür muss das Auszubildendenticket weiter qualifiziert werden und endlich kostenfrei werden. Darüber hinaus braucht es eine bessere verkehrliche Anbindung von Ausbildungsstandorten, die Reaktivierung weiterer Strecken und Haltepunkte insbesondere in den ländlichen Räumen.
Auszubildende und Betriebe profitieren von Auslandsaufenthalten, auch dies stärkt die Attraktivität der Ausbildung. Die Landesregierung muss die bestehenden Informationsangebote sichtbarer machen und darauf hinwirken Hürden für die Beteiligten abzubauen.

Mittelstand und Handwerk stärken

Durch ihre dezentrale Struktur sind Mittelstand und Handwerk in ihrer Vielfalt eine starke Basis für unsere regionalen Wirtschaftskreisläufe, Ausbildung, Beschäftigung und Wertschöpfung vor Ort. Zu ihrer Unterstützung muss das Mittelstandsfördergesetz modernisiert werden.
Wir wollen den Mittelstand und das Handwerk bei dem Prozess der Digitalisierung und dem sozial-ökologischen Wandel unterstützen. Die neuen Digitalisierungsprogramme müssen weiter ausgebaut werden, um die fortschreitende Digitalisierung der Wirtschaft zu fördern, damit die Unternehmen davon profitieren können. Dafür sind adäquate Förderprogramme notwendig.

Nachfolgen sichern – Betriebe erhalten

Wir unterstützen Fördermaßnahmen, um Nachfolger*innen in der Geschäftsführung im Handwerk und im Mittelstand zu sichern und unterstützen Gründungen neuer Betriebe. Analog zur Start-Up-Förderung werden wir ein Coachingprogramm für Nachfolger*innen schaffen und den Zugang zu unbürokratischen Zwischen- und Überbrückungsdarlehen gewähren, sofern ein nachprüfbares Wirtschaftlichkeitskonzept vorliegt. Analog dazu wollen wir Neugründungen weiterhin mit einer Gründungsprämie und einem zusätzlich vereinfachten Zugang zu Darlehen unter die Arme greifen. Das Land soll dies mit Vernetzungs- und Austauschformaten für Betriebe, Gründer*innen und potentielle Nachfolger*innen flankieren.

Die Energiewende braucht ein starkes Handwerk

Die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern hat uns in eine brisante Wirtschaftslage gebracht und setzt auch Handwerk und Mittelstand unter Druck. Das 200 Milliarden Euro starke Dritte Entlastungspaket kommt auch dem Handwerk und Mittelstand zugute, kurz- und mittelfristig braucht es aber weitere Sicherungsmaßnahmen. Wir brauchen ein starkes Handwerk auch in Zukunft, um die Energiewende voranzubringen. Es sind Handwerker*innen, die Wärmepumpen einbauen und warten, PV-Anlagen auf Feld und Dach bringen und Windanlagen bauen und in Betrieb nehmen sowie für Netzausbau und -stabilität sorgen. Wir wollen in diesem Feld den Ausbildungskorridor verbreitern, eine Ausbildungsprämie einführen und damit der massiv anwachsenden Auftragslage in den kommenden Jahren Herr werden. Denn nur so gelingt die Energiewende.

Die Krise(n) gemeinsam bewältigen

Das Handwerk ist mit seiner Struktur aus klein- und mittelständischen Unternehmen stark von der Energiepreiskrise, in Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, wie auch von gestörten Lieferketten und steigenden Materialpreisen getroffen. Mit der Bewältigung wollen wir das Handwerk nicht allein lassen.

Dort, wo sehr rasch gestiegene Energiepreise, gestörte Lieferketten und eine hohe Inflation sonst gesunde wirtschaftliche Strukturen in Bedrängnis bringen, muss die öffentliche Hand mit Hilfen bereitstehen.

Zudem kommen die ernsten Auswirkungen der bereits längerfristig bestehenden Krisen, wie der Klimakrise, aber auch des demographischen Wandels, des Fachkräftemangels, des Strukturwandels der ländlichen Räume sowie den Folgewirkungen der Pandemie auch beim Handwerk mit voller Wucht an. Auch bei den unumgänglichen Anpassungen und Reaktionen darauf wollen wir das Handwerk nicht allein lassen.

Um die wirtschaftlichen Härten abzufedern, sind aufeinander abgestimmte Maßnahmen von Bund und Land nötig. Die Bundesregierung hat für die akuten Folgen, die insbesondere durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verursacht wurden, Entlastungen und energiepreisdämpfende Maßnahmen auf den Weg gebracht, an denen auch die Länder beteiligt sind. Diese Entlastungen können die Folgen der Krisen nicht beseitigen, sollen aber die Last mildern.

In Sachsen-Anhalt müssen wir in der Lage sein, landesspezifische Bedarfe zu decken und mögliche Lücken der Bundesmaßnahmen für das Handwerk zu schließen. Dafür hat unsere bündnisgrüne Landtagsfraktion bereits einen Plenarantrag für einen Landes-Härtefallfonds zur Abwehr der Krise eingebracht. Für den Fonds haben wir einen Umfang von bis zu 500 Millionen Euro vorgesehen, der sich vorrangig aus nicht abgeflossenen und umzuwidmenden Mitteln des Corona-Sondervermögens finanzieren soll.

Die CDU-SPD-FDP-Koalition hat sich dieser Aufgabe bisher verweigert, wird aber an landeseigenen Maßnahmen auch für das Handwerk in unserem Land nicht vorbeikommen.
Zur Bewältigung diverser Herausforderungen der aktuellen Krise(n) brauchen wir jetzt zeitnah einen solchen Härtefallfonds, um auch im Handwerk mittels Krediten und bedarfsweise auch Zuschüssen sich ergebende Notsituationen schnell ausgleichen bzw. abmildern zu können. Dabei sollte der Fonds nachrangig zu anderen Hilfen und Bundesprogrammen greifen und, soweit möglich, so ausgerichtet werden, dass die Betroffenen zukünftig besser gegen die Krisen gewappnet sind und die notwendigen Transformationsprozesse zugleich vorangetrieben werden können. Unternehmen, deren Geschäftsmodell solide ist, aber durch die Energiepreissteigerungen in Frage gestellt wird, müssen unterstützt werden. Bei der Umsetzung möglicher Hilfsmaßnahmen sollten wir auch auf die bestehende Struktur der Betriebsberatungen der Kammern sowie deren Kompetenzen zurückgreifen. Damit Handwerk auch morgen noch goldenen Boden hat, dürfen wir es heute in Notsituationen nicht allein lassen.

Beschlossen auf dem 47. Landesparteitag in Zerbst am 26. November 2022.