Quedlinburger Erklärung: Das Grüne Band zum Nationalen Naturmonument machen

Die deutsche Wiedervereinigung liegt in diesen Tagen 30 Jahre zurück. Wo wir heute ganz selbstverständlich gemeinsam das Grüne Band erkunden, den Brocken besteigen und im länderübergreifenden Nationalpark Harz wandern gehen, trennte jahrzehntelang der Eiserne Vorhang Europa in Ost und West. Entlang des Todesstreifens konnte sich in den Jahrzehnten der Teilung ein einzigartiges Naturdenkmal entwickeln: das Grüne Band, das sich bei uns über 1.400 Kilometer schlängelt und innerhalb Europas über 12.500 Kilometer von der Barentssee bis zum Schwarzen Meer durch 24 Länder zieht. Das Grüne Band erinnert als lebendes Denkmal an die menschenverachtende Teilung Europas und muss als Erinnerungsort gepflegt und ausgebaut werden. Mit seiner Wandlung vom Todesstreifen zur Lebenslinie ist es ein Symbol für die friedliche Revolution geworden. Als verbindendes Band zwischen Ost und West muss das Naturdenkmal bewahrt werden – auch und ganz besonders, weil es als weltweit einzigartiges, zusammenhängendes Band vielfältige Lebensräume bietet, die anderswo bedroht oder ganz verschwunden sind. Es war ein Geschenk der Bürgerrechtsbewegung der DDR an nachfolgende Generationen, dass in Ostdeutschland nach der friedlichen Revolution große zusammenhängende Naturschutzgebiete geschaffen wurden, die heute beispielhaft für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen stehen.

Heute bietet das Grüne Band allein in Deutschland 600 bedrohten Arten in zugehörigen Naturschutzgebieten ein Zuhause. Es ist inzwischen unser größter Biotopverbund: Mehr als zwei Drittel des Grünen Bandes sind als Nationales Naturmonument und Schutzgebiet ausgewiesen. Es ist zugleich zu einem Ort der Begegnung, der Erinnerung und des sanften Tourismus geworden. Fakt ist jedoch auch, dass in den letzten 30 Jahren ein Achtel der Fläche des Grünen Bandes durch intensive Landnutzung und Bebauung verloren gegangen ist.

Grün-mitregierte Länder haben in den vergangenen Jahren den Anstoß für den Erhalt des Grünen Bandes gelegt: So wurde im Jahr 2018 das Grüne Band Thüringen als Nationales Naturmonument ausgewiesen und damit der einheitliche Schutz des gesamten Grünen Bandes in Thüringen ermöglicht. Auch in Sachsen-Anhalt erfolgte vor einem Jahr die Ausweisung als Nationales Naturmonument. Mecklenburg-Vorpommern (z.B. Biosphärenreservat Schaalsee) und Brandenburg (Biosphärenreservat „Flusslandschaft Elbe-Brandenburg“) haben wichtige Beiträge  geleistet und auch Schleswig-Holstein hat sich auf den Weg gemacht. Mit dem gemeinsamen Nationalpark Harz und dem Biosphärenreservat Elbtalaue gibt es bereits länderübergreifende Großschutzgebiete am Grünen Band mit niedersächsischer Beteiligung. Wir fordern, das Grüne Band auch auf niedersächsischer Seite als Nationales Naturmonument unter Einbeziehung des Drömlings und Teilen des Eichsfeldes auszuweisen und vollständig hoheitlich zu sichern. Das Grüne Band soll als Teil des Biotopverbunds mit angrenzenden Naturräume verknüpft werden. Niedersachsen soll sich außerdem der Initiative aus Thüringen und Sachsen-Anhalt anschließen und ein gemeinsames UNESCO-Biosphärenreservat Südharzer Gipskarstlandschaft voranbringen. Länderübergreifend werden wir stetig daran arbeiten, weitere Teile des Grünen Bandes in Deutschland und Europa unter Schutz stellen. Wenn dies gelingen soll, muss die Bundesregierung angemessene Finanzmittel zur Umsetzung beitragen.

Das Grüne Band als Symbol für das Leben

Die biologische Vielfalt sichert das Leben auf unserem Planeten. Wenn sie bedroht ist, ist auch das Leben von uns Menschen bedroht. Wir müssen alles für ihren Erhalt tun, wenn das Leben auf dieser Erde lebenswert bleiben soll. Deshalb brauchen wir dringend mehr Schutzzonen wie das Grüne Band eine ist – mit dem Ziel eines vernetzten Verbundes von Schutzflächen. Wir wollen aber auch mehr Wildnisflächen schaffen, das heißt freie Natur, die aus der Nutzung genommen ist. Zielmarke sind hierfür 2 Prozent unserer Landesfläche. Schon heute ist der Verlust an Biodiversität so dramatisch wie die Klimakrise – und zusätzlich bedingen sich diese beiden Krisen auch noch gegenseitig.

In ganz Europa verlieren wir durch intensive Landwirtschaft fruchtbare Böden und Artenvielfalt. Mit ihrem massiven Einsatz von Gülle und Pestiziden ist die industrialisierte Landwirtschaft zu einem der größten Treiber des Artensterbens  geworden.
In den vergangenen 30 Jahren hat der Osten Deutschlands im Hinblick auf die Industrialisierung der Landwirtschaft mit ihren Folgen für Umwelt und Artenvielfalt erschreckend schnell aufgeholt. Aufgrund oftmals unerschwinglich teurer Pestizide und einer weniger intensiven Landnutzung bot die Landwirtschaft in der DDR noch einige Schutzbereiche für biologische Vielfalt. Davon ist heute nichts mehr zu spüren. Sogar eher im Gegenteil: Auf den vielerorts sehr großen landwirtschaftlichen Flächen im Osten wird oftmals Intensivlandwirtschaft betrieben. Dabei ist längst klar, dass wir eine Neuausrichtung im Agrarbereich brauchen. Die Klimakrise fordert auch die Landwirtschaft massiv heraus. Bereits jetzt zeigt sich, dass der ökologischen Landwirtschaft die Anpassung an die Klimaveränderungen besser gelingt. Wir wollen eine Landwirtschaft, von den Bäuerinnen und Bauern gut leben können und die die Natur schützt. Dass es anders geht, zeigt beispielsweise das Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin mit der heute größten Bioackeranbaufläche Europas. In der ökologischen Landwirtschaft liegt der Schlüssel gegen das Artensterben. Nicht mehr die Fläche an sich soll belohnt werden, sondern eine arten-, tier- und klimaschützende Ausrichtung der Landwirtschaft.  Neben mehr Ökolandbau brauchen wir also auch eine Ökologisierung der konventionellen Landwirtschaft, Agroforstsysteme, vielfältigere Fruchtfolgen, mehr Mischkulturen und ein Flächenziel für die Tierhaltung von 2 Großvieheinheiten pro Hektar, etwa 2 Milchkühe pro Hektar Fläche. Und schließlich gilt es, den Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden sukzessive zu reduzieren, die giftigsten Pestizide sofort zu verbieten und eine Pestizidabgabe einzuführen. Denn Pestizide beschleunigen das Artensterben massiv.

Jener Ort, der jahrzehntelang für die deutsche Teilung stand, erinnert heute daran, was durch die friedliche Revolution überwunden wurde und steht heute , – paradoxerweise – auch für den Schutz: für den Schutz der Natur und der Biodiversität. Es ist daher an der Zeit, dass das Grüne Band Deutschland endlich auch im Gesamten zum Nationalen Naturmonument wird.

Unterzeichner*innen:

  • Steffen Regis und Anna Tranziska (Landesvorsitzende Schleswig-Holstein)
  • Norman Volger (Landesvorsitzender Sachsen)
  • Susan Sziborra-Seidlitz (Landesvorsitzende LSA)
  • Michael Kellner (Bundesvorstand)
  • Lysann Papenroth (Landesvorstand LSA)
  • John Liebau (Landesvorstand LSA)
  • Miriam Matz (Landesvorstand LSA)
  • Hans-Joachim Janßen (Landesvorsitzender Nds)
  • Anne Kura (Landesvorsitzende Nds)
  • Martin Bill (stellv. Landesvorsitzender Hamburg)
  • Nina Stahr (Landesvorsitzende Berlin)
  • Alexandra Werwarth (Landesvorsitzende Bremen)
  • Uwe Zischkale (Landesvorstand LSA)
  • Christian Franke-Langmach (KV Altmark)
  • Madeleine Linke (KV Magdeburg)
  • Wolfgang Aldag MdL (SV Halle)
  • Bernhard Zimmermann (KV Harz)
  • Rüdiger Neilke (KV Nordhausen)
  • Michelle Angeli (SV Halle)
  • Marek Boeck (KV Dessau-Roßlau)
  • Sebastian Hoffmann (KV Harz)
  • Antje Schulz (SV Halle)
  • Fabian Degen (KV Goslar)
  • Peter Rodenkirchen (SV Halle)
  • Ann-Sophie Bohm-Eisenbrandt (Landesvorsitzende Thüringen)

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