Großflächige Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen auf Acker und Grünland verträglich steuern

Als Bündnis 90/Die Grünen Sachsen-Anhalt wollen wir dazu beitragen, auch in Sachsen-Anhalt den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu beschleunigen. Nur sie können langfristig zuverlässig die Versorgung sichern. Sie machen uns unabhängig von Importen und gewährleisten, dass Energie für Menschen wieder bezahlbar wird. Sie schützen die Umwelt und das Klima. Um das bundesweite Ziel von 80 Prozent erneuerbaren Strom bis zum Jahr 2030 zu erreichen, brauchen wir allein bei Photovoltaik (PV) einen jährlichen Zubau von 22 Gigawatt. Im Jahr 2021 betrug dieser 5 Gigawatt, wovon Sachsen-Anhalt einen Anteil von 0,3 Gigawatt hatte.

Für uns ist daher klar, dass PV überall installiert werden muss: auf Dächern, an Fassaden, auf Konversionsflächen und eingeschränkt auch auf Acker und Grünland.

Das Interesse an großflächigen Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen (FFPV) auf Acker und Grünland wird immer größer. Die Gemeinde-, Verbandsgemeinde- und Stadträt*innen entscheiden mit der Bauleitplanung sowohl für landwirtschaftliche Nutzflächen als auch für versiegelte Flächen, ob und wo und wie FFPV errichtet werden können. Die grünen Vertreter*innen in den Kommunalparlamenten lassen sich erfahrungsgemäß von den Gedanken leiten, dass Natur und Landschaftsbild sowie die landwirtschaftliche Nutzung möglichst wenig beeinträchtigt werden.

Wir wollen einen gesellschaftlich akzeptierten, umweltverträglichen und gesteuerten Solarenergieausbau, der nicht im Konflikt zur Ernährungssicherheit steht.

Der Landesparteitag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN möge sich deshalb zu folgendem Verfahren positiv positionieren und den grünen Kommunalpolitiker*innen zugleich Empfehlungen für die Erarbeitung von gemeindlichen PV-Konzepten und die Aufstellung von Bebauungsplänen (B-Pläne) an die Hand geben:

Die Gemeinden sollen jeweils ein gemeindliches PV-Konzept mit Dafür- und Ausschlusskriterien für den Standort und projektbezogene Bedingungen erstellen.

Wird das nicht gemacht, dann können die grünen Kommunalpolitiker*innen dennoch die Kriterien und Anforderungen zur Abwägung für die B-Plan-Aufstellung nutzen.

Dafür-Kriterien für FFPV

  • Konversionsflächen (definiert in der Empfehlung vom 1. Juli 2010 der Clearingstelle EEG) – u.a.:
    • brachgefallene Anlagen der Landwirtschaft (Stallanlagen, Silos u.ä.)
    • ehemalige Industrie- und Gewerbeflächen
    • militärische Konversionsflächen (Landebahnen u.ä.)
    • Altdeponien
    • Abraumhalden (gilt nur für unbewachsene Halden, gilt nicht für Abraumhalden mit wertvoller Galmei-Flora)
    • Lagerplätze
    • Bergbaufolgestandorte
    • brachliegende kommunale/staatliche Flächen
    • brachgefallene Anlagen der Landwirtschaft

Versiegelte Konversionsflächen sollen vor dem Bau einer FFPV-Anlage entsiegelt werden – insbesondere aus ästhetischen Aspekten zur Verbesserung des Dorf- und Landschaftsbildes und zur Versickerung des Regenwassers (Grundwasserneubildung).

  • benachteiligte Gebiete gemäß FreiflächenVO (vom 15.02.2022)
  • versiegelte Flächen (§37 Abs. 1 Nr. 2a EEG) und Parkplatzflächen (§37 Abs. 1 Nr. 3d EEG)
  • weitere Benennungen nach EEG (verkündet im Bundesgesetzblatt 28.07.2022)

Raumordnerische Aussschlusskriterien für FFPV (aus LEP u. REPs)

  • Vorranggebiete für Natur und Landschaft
  • Vorranggebiete für Hochwasserschutz
  • Vorranggebiete für Landwirtschaft (fruchtbare Böden, nur in REPs ausgewiesen),
    Ausnahme: Agri-PV
  • Vorranggebiete für Rohstoffgewinnung
    Ausnahme: Das Vorranggebiet für Braunkohle Lützen (Info: ist nicht in Nutzung)
  • Vorranggebiete für Forstwirtschaft
  • Vorrangstandorte für landesbedeutsame Industrie- und Gewerbeflächen
  • regional bedeutsame Vorrangstandorte für Industrie und Gewerbe
  • Vorrangstandorte für landesbedeutsame Verkehrsanlagen
  • Vorrangstandorte für militärische Nutzung
  • Vorranggebiete für die Nutzung der Windenergie mit der Wirkung von
    Eignungsgebieten
    Ausnahmen:
    a)Kranstellflächen, die bei einer Nutzung
    durch FFPV den Eigenverbrauch der Windenergieanlagen decken könnten
    b) nach Errichtung von Neu- oder Repowering-Windenergieanlagen können Flächenpotenziale zusätzlich für PV genutzt werden.

Ein erhöhtes Gewicht bei der Abwägung ist den Grundsätzen der Raumordnung beizumessen.
Es handelt sich um folgende Festlegungen:

  • Vorbehaltsgebiete für Landwirtschaft (ausgewiesen im LEP),
    Ausnahme: AgriPV
  • Vorbehaltsgebiete für den Aufbau eines ökologischen Verbundsystems
  • Vorbehaltsgebiet für Kultur und Denkmalpflege
  • Vorbehaltsgebiet für Wiederbewaldung
  • Vorbehaltsgebiete für Tourismus und Erholung

Fachliche Ausschlusskriterien für FFPV

  • Naturschutzgebiet gemäß § 23 BNatSchG7
  • Europäische Vogelschutzgebiete
  • FFH-Gebiet in Abhängigkeit des Schutzziels
  • Landschaftsschutzgebiet gemäß § 26 BNatSchG (Prüfung auf Ausnahme ist möglich)
  • Naturdenkmal gemäß § 28 BNatSchG
  • Geschützte Landschaftsbestandteile gemäß § 29 BNatSchG
  • Gebiete nach § 30 BNatSchG (z.B. Gebiete mit Lebensraumtypen)
  • natürliche Stand- und Fließgewässer einschließlich Gewässerrandstreifen gemäß § 38 WHG
  • Moorböden wegen besonderer Klimarelevanz
    Ausnahme: Moorböden, die entwässert und landwirtschaftlich genutzt worden sind, wenn die Flächen mit der Errichtung der Solaranlage dauerhaft wiedervernässt werden.
  • Kompensationsflächen zum Ausgleich für Eingriffe zum Arten- und Biotopschutz
  • Wasserschutzgebiete Schutzzonen 1 und 2 (in der Nähe der Brunnen)
  • festgesetzte und vorläufig gesicherte Überschwemmungsgebiete gemäß §§ 76 Abs. 1 und 3 WHG (Gebiete zwischen oberirdischen Gewässern und Deich)
  • Kulturdenkmal gemäß § 2 DSchG ST, Sichtachsen zwischen und zu Denkmalen
  • geplante Wohnbaugebiete (Bebauungsplan)
  • Nationale-Naturerbe-Flächen (NNE)
  • Schutzäcker und landwirtschaftliche Minderertragsstandorte, die eine seltene Ackerbegleitflora enthalten

Städtebauliche und gemeindliche Ausschlusskriterien

  • Festlegung von Mindest- und/oder Höchstgrenzen im Gemeindegebiet (z.B. min./max. x % des Gemeindegebietes und/oder x % der landwirtschaftlichen Nutzfläche)
  • Festlegung von Mindest- und/oder Maximalfläche einer FFPV, Richtwert von maximal 20 ha
    (Der Bauernverband spricht sich pro Solarpark für eine Maximalgröße von 20 ha aus. Diese Größe scheint ein geeigneter Richtwert, dennoch kann die Größe regional unterschiedlich sein.)
  • Erhaltung störungsarmer Räume ohne naturschutzrechtlichen Status
  • Böden mit Ackerzahlen über 80 sind auszuschließen, da es sehr ertragstarke Standorte sind,
    im Interesse der Gesellschaft und zur Sicherung der Ernährung sollen Böden mit einer Ackerzahl von 80 und mehr nicht für die Nutzung von Agri-PV vorgesehen werden.
  • und zusätzlich werden hochwertige Böden für den Ausschluss durch die Gemeinde festgelegt: Böden mit hoher Ackerzahl in Abhängigkeit von der jeweiligen Situation in der Gemeinde,
    Ausnahme: Agri-PV
  • Vermeidung von Zersiedelung (Anschluss an das Siedlungsgefüge)
  • Vermeidung der Umbauung von Ortslagen
  • Abstand zwischen einzelnen großflächigen FFPV
  • Abstand zur Ortslage, Wochenendhausgebieten, touristischen Einrichtungen u.ä. sollte zur Erhaltung der Akzeptanz der Bevölkerung im Einzelfall nutzungsabhängig festgelegt werden
  • Hinweis: Nähe zu Netzeinspeisepunkten, etc. ist günstig

Projektbezogene Bedingungen/Anforderungen durch die Gemeinde

Für die Abwägung, ob und wenn ja wie eine PV-Anlage gebaut wird, sollen standortunabhängige projektbezogene Bedingungen/zusätzliche Anforderungen durch die Gemeinde formuliert werden und beim konkreten Projekt verbindlich gemacht werden (z.B. über einen Vertrag).

Mögliche projektbezogene Bedingungen:

  • Finanzielle Beteiligungen und/oder Vorteile für Bürger*innen und Kommunen (z.B. vergünstigter Strompreis, Raumnutzungsabgabe von 0,2 Cent/kWh, …)
  • Präferenz für Agri-PV
  • Betriebssitz in der Gemeinde
  • nach 20 ha sollte ein Korridor geschaffen werden, damit die Tiere die Landschaft durchwandern können (Korridore/Trassen aus Grünstreifen und Gehölzen)
  • der Abstand von Zaun zum Boden ist so zu gestalten, dass Niederwild den Zaun passieren kann
  • Leitfäden zur naturschutzfachlichen Begrünung und Eingrünung sollen zur Anwendung kommen
    (z. B. zum Einsäen, zur Heckenbepflanzung bspw. mit 10 m breiter Streifen mit dreireihigen Hecken und Kräuteruntersaaten, …)
    Auskunft geben u.a. Naturschutzverbände oder die Hochschule Anhalt

Beschlossen auf dem 47. Landesparteitag in Zerbst am 26. November 2022.