Für die Zukunft vorsorgen – Sachsen-Anhalt krisenfest machen

Die pandemische Lage ist ernst. Ausgehend von weiter zu hohen Inzidenzzahlen besonders in Sachsen-Anhalt und in benachbarten Bundesländern sowie dem Vorhandensein infektiöserer Mutanten des Virus bedarf es verlässlicher und früh einsetzender Maßnahmen, um eine sich aufbauende dritte Welle zu erkennen und zu brechen.

Die Entscheidung verläuft dabei nicht zwischen Lockdown und Öffnungen, sondern muss die Voraussetzungen für einen pandemiefesten Betrieb der gesellschaftlichen Teilbereiche im Blick haben. Wir sind uns sehr bewusst, wie hart und kräftezehrend diese Entbehrungen für die Menschen sind.

Wir unterstützen eine Politik der schrittweisen Öffnungen, jedoch nicht ohne flankierende Maßnahmen . Jede Öffnung braucht Voraussetzungen. Öffnungen ohne Voraussetzungen drohen einzureißen, was wir, als Gesellschaft, jede und jeder Einzelne und wir gemeinsam, mit großer Disziplin in den letzten Monaten erreicht haben: eine Eindämmung der Pandemie.

Bundes- und Landesregierung sind in der Pflicht, sich genauso anzustrengen, wie es die Menschen getan haben und tun.

Wir setzen als GRÜNE auf eine pandemiefeste Strategie für Schulen und Kitas, einen Mix aus Schnelltests, schnellem und effizientem Impfen, die flächendeckende Anwendung von FFP2-Masken dort, wo Abstandsregeln nicht durchgängig eingehalten werden können sowie einen klaren Blick auf die Inzidenzzahlen, den R-Wert und Belegungen in den Krankenhäusern des Landes.

In der jetzigen kritischen Phase, in der mutierte Viren die Inzidenzzahlen hochtreiben, aber gleichzeitig die Impfungen noch nicht flächendenkend verfügbar sind, müssen wir vernünftig und mit kühlem Kopf vorangehen. Es ist wichtig, neben den Inzidenzzahlen weitere Parameter wie den R-Wert, Geimpftenzahlen oder die Belegung der Betten auf Intensivstationen zur Handlungsgrundlage zu nehmen.

Wer das Virus besiegen will, braucht verlässliche Daten, eine klare Kommunikationsstrategie und muss konsequent agieren. Nicht immer hat dieser klare Kurs das Handeln von Bundes- und Landesregierung bestimmt. Das hat uns in der Pandemiebekämpfung zurückgeworfen und frustriert viele Menschen.

  • Dass es in Sachsen-Anhalt weiter an klaren Zahlen zur tatsächlichen Verbreitung der Virusmutanten fehlt, ist ein Problem. Eine flächendeckende Sequenzierung muss unverzüglich eingerichtet werden.
  • Schulen und Kitas zu öffnen, ohne vorab die Voraussetzungen für einen pandemiefesten Betrieb geschaffen zu haben, riskiert die Gesundheit von Lehrer*innen, Erzieher*innen und Familien. Hier braucht es kurzfristige Veränderungen.
  • Der Rückstau bei Impfungen hat uns auch im Bundesländervergleich zurückgeworfen. Das Land muss Sorge tragen, dass eintreffende Impfungen sofort an die beiden Gruppen mit höchster Impfpriorität verimpft werden.
  • Die fehlende Vorausschau und Vorsorge bei der Akquise von Schnelltests erweist sich als schwere Hypothek. Statt bereits vorab Optionen zu sichern, wird unser Land nun wochenlang auf Lieferungen warten müssen, bis uns ausreichend Schnelltests in allen Einrichtungen zur Verfügung stehen. Ein vermeidbares Versagen.

Wir setzen auf ein Netz von Maßnahmen, das wir ausbreiten, um die Pandemie besser in den Griff zu bekommen:

  • Wir müssen deutlich schneller impfen, um die sich anbahnende dritte Welle zu brechen. Impfstoff ist nicht „noch und nöcher“ aber in immer größeren Mengen vorhanden. Der Anstieg der Impfproduktion macht es nicht mehr nötig, dass jede zweite Dosis zurückgehalten wird. Auch in unserem Bundesland liegen tausende Dosen AstraZeneca unverimpft in den Tiefkühlschränken. Ein Problem, dass Bundes- und Landesregierung dringend angehen müssen. Wir brauchen eine Kommunikationskampagne, die unmissverständlich klar macht, dass die verfügbaren Impfstoffe sicher, wirkungsvoll und das einzig verfügbare Mittel sind, die Pandemie um Jahre zu verkürzen. Wer eine Impfung mit AstraZeneca ablehnt, verliert den Impftermin und muss sich dann wieder hinten anstellen.
  • Die Kapazität der Impfzentren muss jetzt ebenso erweitert werden wie die Möglichkeit, im Gesundheitssystem an allen verfügbaren Stellen Impfungen zu verabreichen. Die Hausarztpraxen und die Betriebsärzte müssen angesichts weiter steigender Lieferungen von Impfstoff jetzt in das Impfsystem integriert werden.
  • Wir erwarten eine reibungslose Organisation der Vergabe der Impftermine und der Impfungen. Überlastete Hotlines und Verzögerungen von Impfungen durch schlechte Organisation sind nicht mehr hinnehmbar. Bei Notwendigkeit müssen bei der Terminvergabe externe Dienstleister kurzfristig einbezogen werden.
  • Jeder Schnelltests gibt für den Moment Sicherheit. Das Land muss die Beschaffung von als Selbsttest anzuwendenden Schnelltests priorisieren. Diese sind zuerst an die Kitas und Schulen ausreichen, um dort einen pandemiefesten Betrieb zu unterstützen. Wir fordern, dass alle Schul- und Kita-Angehörigen sich mindestens 2x pro Woche testen können.
  • Schnelltests können zudem Voraussetzung sein, um pandemiefest Einkaufscenter, Gaststätten und Behörden wieder zu öffnen.
  • Dafür müssen Regelungen geschaffen werden, wann, wo und wie getestet werden soll und wie mit den Testergebnissen zu verfahren ist.
  • Sachsen-Anhalt muss seine digitalen Möglichkeiten zur Bekämpfung der Pandemie verbessern. Dass bis heute nicht alle Gesundheitsämter Sormas zur Kontaktnachverfolgung nutzen, ist ein Versäumnis: Wir fordern die unverzügliche Einführung und Nutzung der angebotenen digitalen Werkzeuge. Das spart nach einer Umstellungsphase Personal und Ressourcen.
  • Die LUCA-App muss in die Nachverfolgung einbezogen werden. Offenbar kann sie leisten, was die Spahn-App nicht kann. Verschlüsselt Anwesenheiten in einem befristeten Zeitraum wiederzugeben.
  • Die Datenlage zur Verbreitung von Mutationen des Virus ist unzureichend. Wir fordern, dass flächendeckend alle Proben sequenziert werden, um die Verbreitung der Mutanten zu verfolgen. Wir setzen zudem auf ein flächendeckendes Abwassermonitoring. Genspuren des Virus können so frühzeitig aufgespürt und Hotspots identifiziert werden.
  • In Einrichtungen und Situationen, bei denen Abstände nicht eingehalten werden können, bieten FFP2-Masken den derzeit besten verfügbaren Schutz. Wir setzen uns für die flächendeckende Verteilung solcher Masken durch das Land strukturiert über soziale Einrichtungen, Frauenhäuser, Kitas, Bürgerämter etc. ein.

Es ist nötig, aus der aktuellen Krise Lehren für zukünftige Krisen zu ziehen. Diese werden kommen, wenn die Menschen nichts an ihrem Verhältnis zur Natur verändern. Denn der Ursprung beider großen Krisen der Menschheit, der Coronapandemie und der Klimakrise, ist der der Raubbau der Menschen an den natürlichen Lebensgrundlagen.

Wir begreifen die Krisen neben aller Sorge deshalb auch als Chance, aus der unsere Gesellschaft und unser Leben gestärkt und krisenfester hervor gehen. Auch Sachsen-Anhalt muss einen deutlich größeren, verlässlichen Beitrag leisten. Wir sind dabei in allen Politikfeldern gefordert, denn nur durch Veränderung erhalten wir dauerhaft ein gutes Leben für alle Menschen.

Bildungsinfrastruktur

Jetzt die richtigen Lehren für eine zukunftsfeste Bildungsinfrastruktur zu ziehen, ist oberstes Gebot der Stunde. Denn die Coronakrise ist auch eine Bildungskrise. Kein Kind darf in dieser Krise abgehängt werden. Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit müssen gerade jetzt, mehr denn je gewährleistet werden.

Wenn es darum geht, Kontakte reduzieren und Bewegungsradien einzuschränken, dann sehen wir den durch regelmäßige, 2x wöchentliche Schnell-Tests aller Schulangehörigen abgesicherten Wechselunterricht als die beste Unterrichtsform in der Krise an. Im Wechselunterricht ist es möglich alle Kinder, losgelöst von den technischen Abhängigkeiten, regelmäßig zu erreichen und sie dennoch keinen unnötigen Gesundheitsrisiken auszusetzen. Je nach Inzidenz vor Ort kann der Modus des Wechselunterrichts den sich verändernden Rahmenbedingungen angepasst werden. In Ergänzung des Wechselunterrichtes sollen für Schüler*innen mit Lerndefiziten zusätzliche Präsenzangebote gemacht werden.

Reibungsloser Wechselunterricht braucht eine gute Organisationsstruktur, gut ausgebildete Lehrkräfte sowie eine umfassende Digitalisierung des Bildungswesens. Deshalb wollen wir auch für die Zeit nach der Pandemie:

  • eine dem Stand der Technik entsprechende Internetanbindung an den Schulen,
  • ein gutes WLAN-Netz in jedem Schulgebäude,
  • stabile Bildungsserver auch bei überdurchschnittlich hohen Zugriffszahlen,
  • die Ausstattung der Schulen mit allen notwendigen digitalen Endgeräten sowie
  • gut ausgebildete Lehrkräfte.
  • mehr Schulsozialarbeiter*innen.

Der Bund stellt für viele der infrastrukturellen Maßnahmen derzeit großzügige finanzielle Mittel im Rahmen des DigitalPakt Schule bereit, die Sachsen-Anhalt zeitnah und vollständig ausschöpfen muss.

Infrastruktur muss dauerhaft gepflegt werden. Zur Instandhaltung und Betreuung der Technik braucht es deshalb IT-Administrator*innen vor Ort, die jederzeit helfen können. Die Lehrkräfte werden dadurch entlastet und können sich auf ihre pädagogischen Aufgaben konzentrieren.

Infrastruktur braucht informierte und befähigte Nutzer*innen. Lehrkräfte müssen eigenständig zum Umgang mit neuen Lernmitteln befähigt werden, sodass der Unterricht im Krisenfall zügig auch vollständig in den digital unterstützen Distanzunterricht verlegt werden kann und dennoch kein pädagogischer Qualitätsverlust entsteht. Deshalb wollen wir verpflichtend regelmäßige Fortbildungen für die Lehrerinnen und Lehrer, sodass sie gerüstet sind für die Herausforderungen des Wechselunterrichts. Dazu gehört zum einen die Nutzung der zur Verfügung stehenden digitalen Lern- und Lehrformate und zum anderen die digitale Kommunikation mit den Schüler*innen.
Auch müssen umgehend mehr Lehrmaterialien (und insbesondere die vorhandenen analogen Lehrbücher) digital zur Verfügung gestellt werden. Diese Aspekte sind essenziell, um auch in der Krise weiterhin mit allen Kindern und Jugendlichen in Kontakt zu bleiben und keine*n aus den Augen zu verlieren.

Da die Gefahr weiterer epidemischer Lagen auch nach der Coronakrise nicht abnimmt, müssen wir auch unsere Schulgebäude selbst krisenfest machen. Hier sind die Schulträger gefordert, die unserer Unterstützung bedürfen. Hygieneeinrichtungen, wie zum Beispiel Waschbecken in den Klassenräumen, müssen in Stand gesetzt werden. Vorkehrungen zur besseren Belüftung der Räumlichkeiten sind zu schaffen. Bei Schulneubauten und Sanierungen sind kombinierte Be- und Entlüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung zum Standard zu machen.

Grundlage all dieser Überlegungen bleibt aber der Schutz der psychosozialen Entwicklung der Schülerinnen und Schüler. Wir brauchen deshalb Menschen, die die Kinder erreichen und mit ihnen Kontakt halten können. Wir wollen deshalb die Arbeit der Schulsozialarbeiter und Schulsozialarbeiterinnen sowie der multiprofessionellen Teams an den Schulen stärken. Sie sind ein wesentliches Instrument, um Bildung in der Krise möglich zu machen.

Naturschutz, Energie- und Ernährungssicherheit

Die Pandemie führt uns vor Augen, dass wir mit dem Raubbau an der Natur unsere eigenen Lebensgrundlagen vernichten. Corona ist nach dem, was bislang bekannt ist, mit hoher Wahrscheinlichkeit und ebenso wie 3/4 aller neuen Infektionskrankheiten eine von Tieren auf den Menschen übertragene Krankheit. Dies passiert, weil wir immer stärker die Ökosysteme in der Welt beschädigen. Deswegen brauchen wir dringend eine Agrar- und Ernährungswende. Mehr als 70 Prozent der weltweiten Ackerflächen werden zum Anbau von Viehfutter benutzt und dieser Trend nimmt zu. Immer mehr artenreiche und für das Klima bedeutsame Waldflächen werden gerodet, um immer mehr Futterflächen zu gewinnen. Der Wunsch unserer Gesellschaft nach Fleisch trägt maßgeblich zu diesem Flächenfraß bei, weil große Anteile des Futters für unser Vieh über weite Strecken importiert wird.

Gerade die Pandemie hat uns vor Augen geführt, wie anfällig unsere einseitig auf globale Vernetzung ausgerichtete Wirtschaftsweise ist. Regionale Lebensmittel wurden von den Menschen verstärkt nachgefragt und wertgeschätzt. Das ist eine Chance für unsere Landwirt*innen. Engpässe in einigen Bereiche entstanden durch Arbeitskräftemangel, da ausländische Arbeitnehmer*innen nicht oder verspätet einreisen durften. Infektionsherde entstanden an einigen Stellen durch katastrophale Arbeits- und Unterbringungsbedingungen für diese Beschäftigten.

  • Wir wollen eine nachhaltige Landwirtschaft, in der nur so viel Tiere gehalten werden, wie von der eigenen Fläche ernährt werden können.
    Wir wollen eine Erhöhung der Erzeugerquote von Gemüse und Obst gegenüber der Fleischerzeugung. Gleichzeitig muss es eine laufende Kampagne geben, um die Bevölkerung besser zu informieren, dass man mit Gemüse und Obst mehr und gesünder Menschen ernähren kann als mit Fleisch.
  • Wir wollen im Arbeitsleben – in der Landwirtschaft und der Ernährungsmittelwirtschaft – die Infektionssicherheit durch gute Arbeitsbedingungen, gute Bezahlung und gute Unterkünfte erhöhen.
  • Wir wollen eine höhere Wertschätzung von Lebensmittel, damit nicht länger ein Drittel der Nahrungsmittel weggeworfen wird. Wir streben eine Kampagne zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung bei Verbaucher*innen und dem Handel an.
  • Wir wollen die Produktion und Vermarktung regionaler Lebensmittel stärken.

Die Klimakrise ist in Sachsen-Anhalt seit Jahren spürbar. Hochwasser, Stürme, Hitzerekorde, Trockenheit führen zu massiven Vermögensverlusten, zu deutlichen Ertragseinbußen in der Landwirtschaft und zu einer Waldkatastrophe. Unsere Wälder sind das erste Opfer der Klimakrise. Wälder speichern CO2, sammeln und filtern Wasser und säubern die Luft. Deswegen sind wir heute an einem Punkt angekommen, an dem sich die Klimakrise selbst verstärkt. Uns bleibt nur noch wenig Zeit hier gegen zu steuern. Um die Zeit gut zu nutzen, müssen wir massiv CO2 einsparen.

  • Wir brauchen einen massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien. Hierzu gehören das Repowering sowie Photovoltaik auf jedem dafür geeigneten Dach.
  • Grünem Wasserstoff gehört die Zukunft, weil wir mit ihm die Sektorenkopplung hin zu Wärme und Verkehr hinbekommen. Überall dort wo wir nicht elektrifizieren können, können wir Wasserstoff einsetzen. Wasserstoff lässt sich gut speichern und über die vorhandene Gasinfrastruktur nutzen.
  • Mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien und des Grünen Wasserstoffs stärken wir die Energiesicherheit und wirken der Klimakrise entgegen.

Mobilitätsinfrastruktur

Das Rückgrat krisenfester Mobilität ist der ÖPNV als Teil eines starken Umweltverbundes. Er ist Voraussetzung für soziale, wirtschaftliche und kulturelle Teilhabe aller Menschen unabhängig von ihrem Wohnort und ihren Einkommensverhältnissen.

Die Debatten um neue Formen der Finanzierung des ÖPNV werden seit vielen Jahren geführt und Corona verschärft auch diesbezüglich die Handlungsnotwendigkeit. Ein Öffentlicher Nahverkehr, der sich vor allem über Ticketverkäufe finanziert, ist entsprechend verletzbar durch Pandemielagen. Gleichzeitig ist er aber auch grundsätzlich gezwungen sein Angebot stark am aktuellen Bedarf auszurichten. Beides ist für ein zentrales Element der öffentlichen Daseinsvorsorge problematisch.

Denn gerade in Krisen- und Katastrophenfällen hat der ÖPNV zu funktionieren und ebenso hat er auch in der Fläche ein Angebot vorzuhalten, um eine Mobilität für alle zu gewährleisten. Daher sind ergänzende Finanzierungsweg für den ÖPNV ein klares Gebot der Stunde. Durch ein weiteres finanzielles Standbein des ÖPNV kann die Planung und Prüfung von neuen Angeboten und Taktungen ebenso neu gewichten werden, damit die prognostizierte Auslastung einer Strecke nicht strikt auf dessen Realisierung einwirkt. Bei unserem angestrebten Sachsen-Anhalt-Takt mit einem verlässlichen Stundentakt in allen Teilen des Landes, wollen wir ergänzende Finanzierungswege mitdenken und modellhaft erproben. Wir wollen dafür eine Grundlagenuntersuchung des Landes, welche die verschiedenen Varianten einer so genannten Drittnutzerfinanzierung konkretisiert und auf ihre Umsetzbarkeit hin überprüft. Der Mitteldeutsche Verkehrsverbund hat dazu bereits vor Jahren sechs mögliche Varianten – vom Bürgerticket bis zum flächenbezogenen ÖPNV-Beitrag – ins Gespräch gebracht. Das Verkehrsministerium hat es leider versäumt diese Steilvorlage aufzugreifen und von Landesseite aus zu unterstützen. Das gilt es nun schnellstmöglich anzupacken und zeitnah auf Basis der Grundlagenuntersuchung den Landkreisen und kreisfreien Städten die Möglichkeit zur Erprobung anzubieten. Entsprechend ist ein Landesprogramm für solch einen Modelllandkreis samt Förderung von Landesseite aus auszuschreiben. Wir wollen damit eine fachliche und finanzielle Unterstützung eines kommunalen Aufgabenträgers leisten und diesen damit unterstützen neue Finanzierungsmodelle zu konzipieren, zu erproben und zu evaluieren. Ein solches Pioniervorhaben wollen wir im Land bis 2023 auf die Füße stellen.

Als Übergangstechnologie für solche neuartigen ergänzenden Finanzierungswege sind Ticketlösungen wie das aktuelle Azubi-Ticket zu betrachten. Dieses wollen wir weiter entwickeln zu einem Kinder- und Jugendticket. Wir wollen zudem ein allgemeines Jahresticket zum Preis zwischen ein bis drei Euro/Tag auf den Markt bringen.

Die gegenwärtige Pandemielage rückt auch den Schülerverkehr in den Blick. Überfüllte Busse stellen ein nicht hinnehmbares Infektionsrisiko dar. Die Aufrüstung der Busflotten, die Einbeziehung von Reisebusanbietern in diesen Corona-Zeiten sind vor Ort zu prüfen und in die Wege zu leiten.

Eine grundsätzliche Herausforderung, ebenfalls durch die Coronakrise verstärkt, ist der Fachkräftemangel. Gute Bezahlung allein wird nicht mehr reichen, weswegen wir die Erprobung von autonomem, fahrerlosem Verkehr im Nahverkehr vorantreiben werden.

Was wir wollen im Bereich Finanzierung und Ticketsystem:

  • Schaffung eines landesweiten Kinder- und Jugendtickets im Laufe des Jahres 2022,
  • Schaffung eines allgemeinen preisgünstigen Tagestickets im Land im Laufe des Jahres 2023,
  • Ausschreibung eines Modellprojekts für einen Landkreis/ eine kreisfreie Stadt für ergänzende Finanzierungswege in Sachsen-Anhalt ab 2023.

Was wir wollen im Bereich ÖPNV Angebot

  • Konsequente Weiterentwicklung und Ausbau des ÖPNV-Angebots hin zu einem Sachsen-Anhalt-Takt, der stündlich alle größeren Gemeinden im Land an die öffentliche Mobilität anschießt,
  • mehr Reallabore für autonomes Fahren und intelligente Verkehrssteuerung.

Digitale Infrastruktur – Anschluss an die Zukunft

Wir erleben seit Beginn der Pandemie, dass Deutschland in fast allen relevanten Bereichen den Anschluss an moderne Staaten verloren hat. Diesen Rückstand müssen wir in allen Bereichen schleunigst aufholen. Nicht Straßen, sondern Glasfaserautobahnen bestimmen heute und morgen über die Lebensqualität und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Land. Schnelles Internet ist die Grundlage für Vieles, von Telemedizin und Distanzunterricht, über eCommerce, Streaming oder autonomes Fahren bis hin zu eGovernment, um nur einige Bereiche zu nennen. Auch der neue Mobilfunkstandard 5G als Breitband der Lüfte benötigt an jedem Sendemast eine Glasfaseranbindung. Ohne flächendeckenden Breitband-Internet-Zugang mit einer hohen Datenübertragungsrate ist keine digitale Zukunft möglich. Wir begreifen die flächendeckende Breitbandversorgung daher als Daseinsvorsorge für ein zukunftsfähiges Sachsen-Anhalt.

Unser Bundesland hat hier noch immer enormen Nachholbedarf. Damit Sachsen-Anhalt beim Thema Digitalisierung anschlussfähig bleibt, wurde auf unser Betreiben endlich eine wirksame Strategie zum Glasfaserausbau im Land aufgesetzt. Zukünftig geben wir dafür Glasfaser-Infrastrukturzielen den Vorrang gegenüber regelmäßig überholten Breitbandzielen.

Wir sorgen für eine landesweite Breitbandgarantie auf Glasfaserbasis. Spätestens 2030 sollen alle Haushalte, Schulen, Firmen und Verwaltungen in Sachsen-Anhalt mit Glasfaseranschlüssen bis ins Haus mit Geschwindigkeiten von mindestens 1-Gigabit (1.000 Mbit/s) im Up- und Downstream versorgt sein. Bereits bis spätestens 2025 muss ein signifikanter Zwischenausbau auch in den ländlichen Räumen erreicht worden sein.

Mit der Gigabitstrategie für Sachsen-Anhalt haben wir den Glasfaserausbau bis ins Haus bei der Landesförderung endlich zum Standard gemacht, denn nur dieser ermöglicht Up- und Downloadraten von über 1.000 Mbit/s. Um beim Ausbau voranzukommen haben wir Prioritäten gesetzt. Es werden nicht nur Gewerbe- sondern auch Mischgebiete berücksichtigt. Denn etwa 90 Prozent der Unternehmen in Sachsen-Anhalt sitzen in Mischgebieten. Neben der Priorisierung des Anschlusses von Schulen ans Glasfasernetz werden über die Hochschulen und Forschungsinstitute hinaus auch weitere Bildungsstandorte bedacht. Auch Co-Working Spaces und Dorfgemeinschaftshäuser haben Vorrang.

Zukünftig wollen wir bei allen öffentlichen Maßnahmen und Ausschreibungen einen Glasfaser-only-Ansatz verpflichtend festschreiben. Der Glasfaseranschluss von öffentlichen Einrichtungen wie Bibliotheken, Polizeistationen, Schulen, Gewerbe- und Mischgebieten und Dorfgemeinschaftshäusern soll den Ausbau des gesamten Glasfasernetzes anschieben, Glasfaserschneisen durchs Land ziehen, an denen andere einfacher ankoppeln können und private Investor*innen unterstützen. Wo landesgeförderte Straßen-, Rad- oder Gehwege und Parkplätze erneuert werden, sollen auch immer Glasfaserleitungen oder wenigstens Leerrohre dafür verlegt werden.

Gigabitnetze machen ländliche Regionen krisenfester, die Daseinsvorsorge kann dort trotz rückläufiger Bevölkerungszahlen aufrechterhalten werden. Als Datenautobahnen für Wissenschaft und Wirtschaft sind sie unerlässlich und ein zentraler Standortfaktor.

In der Pandemie hat die digitale Vernetzung von Menschen im Bereich der Arbeit und Gesellschaft noch einmal an Bedeutung gewonnen. Wir stellen die nötige Digitalinfrastruktur verlässlich bereit, um anschlussfähig zu bleiben.

Gesundheitliche Infrastruktur

Wie die Corona-Pandemie ist auch die Klimakrise eine Herausforderung für die menschliche Gesundheit. Ausgedehnte Hitzephasen und andere Extremwetterereignisse belasten vor allem ältere Menschen stark, erhöhte Patient*innenzahlen in den Kliniken und saisonale Übersterblichkeit sind die Folgen.

In der aktuellen Pandemie sehen wir sehr deutlich: eine krisenfeste Gesellschaft braucht ein krisenfestes Gesundheitssystem. In allen Bereichen – ambulant, stationär und im öffentlichen Gesundheitsdienst – müssen in der Pandemie und in zukünftigen Krisen essentielle Leistungen erbracht werden, um die Gesellschaft zu schützen. Aktuell erleben wir die Grenzen dieser Krisenfestigkeit.

Die Kliniken in Sachsen-Anhalt haben einen guten Ruf und leisten eine gute Arbeit. Aber ihr Netz bröckelt und die gut erreichbare Versorgung mit stationären Gesundheitsleistungen sind nicht mehr an jedem Ort im Land gesichert. Schlagzeilen über Klinikschließungen oder Teilschließungen bestimmen die Diskussion über die Gesundheitslandschaft in Sachsen-Anhalt. Die Ursachen dafür sind meist wirtschaftliche, und durch fehlende Bereitstellung von Investitionsmitteln durch das Land sowie Fehlanreize durch das DRG-System begründet. Das gefährdet die Gesundheitsversorgung der Menschen in Sachsen-Anhalt. Nicht erst in der Coronapandemie erleben wir, dass das Vorhalten von Klinikbetten und medizinischem Personal für ihre Versorgung lebenswichtige Daseinsvorsorge ist. Die momentan nicht oder nur unzureichend vergütet wird.

  • Wir wollen, dass Einrichtungen des Gesundheitswesens gemeinwohl- statt profitorientiert arbeiten. Dieser Grundsatz muss Basis jeder Weiterentwicklung der Versorgung sein.
  • Wir wollen, dass Kliniken mit einem auskömmlichen Sockelbetrag für das Vorhalten von Betten, Personal und Infrastruktur finanziert werden, dieser soll durch überarbeitet Fallpauschalen und konkret berechnete Personalmittel ergänzt werden.
  • Sachsen-Anhalt soll seiner Pflicht zur Investition in den Kliniken anders als in der vergangenen Zeit zuverlässig nachkommen.
  • Die Kliniklandschaft in Sachsen-Anhalt wollen wir zukunftsfest aufstellen. Alle aktuellen Klinikstandorte sollen Orte der gesundheitlichen Versorgung bleiben. Dafür sollen moderne und sektorenübergreifende Ideen helfen, in Modellen erprobt und landesweit umgesetzt werden.

Diese Ideen wollen wir gemeinsam mit Fachleuten weiterentwickeln. Alle Akteure: Träger, Fachgesellschaften, Gewerkschaften, Berufsverbände, Patient*innenvertreter, Krankenkassen und Kommunen sollen zu einem „Runden Tisch Krankenhausversorgung“ eingeladen werden.

In der Corona-Pandemie kommt besonders dem öffentlichen Gesundheitsdienst eine besondere Aufgabe zu. In den vergangenen Monaten sind die Gesundheitsämter besonders wegen ihrer sehr knappen Personaldecke vielerorts an ihre Grenzen geraten. Auch die technische und logistische Ausstattung verzögerte in vielen Gesundheitsämtern die Erfassung und Nachverfolgung von Ansteckungen mit Covid-19. Ein gut funktionierender und personell starker öffentlicher Gesundheitsdienst kann Infektionsgeschehen verringern helfen und damit Leben retten.

Die Verankerung pflegerischer Berufsbilder im öffentlichen Gesundheitsdienst, wie Community Health Nurses oder Schulgesundheitspflege, stärkt die Prävention und kann im Krisenfall wichtiger Baustein für die Bewältigung gesundheitlicher Herausforderungen sein.

Alle Gesundheitsämter in Sachsen-Anhalt müssen an digitale Meldesysteme angeschlossen sein und über ausreichend technische Infrastruktur verfügen.

Durch eine Amtsarztquote für Medizinstudierende machen wir die Tätigkeit im ÖGD attraktiv. So stärken wir die Gesundheitsämter personell.

Community Health Nurses (CHN) sind als speziell geschulte Gesundheits- und Pflegekräfte in vielen Ländern Bestandteil einer gemeinwohlorientierten öffentlichen Gesundheitslandschaft und tragen mit Prävention und Versorgung zu einer resilienten Gesellschaft bei. Wir wollen zunächst in Modellprojekten CHN in Sachsen-Anhalt installieren. Gleiches soll Schulgesundheitspflege in unseren Schulen leisten.

  1. Wir wollen den Öffentlichen Gesundheitsdienst reformieren und aufwerten.
  1. Wir wollen Telemedizin vorantreiben über ein Landeszentrum Telemedizin.
  1. Wir wollen alle für Krankenhäuser Zuständige an einen Tisch bringen und die derzeit 47 Krankenhausstandorte als Standorte der gesundheitlichen Versorgung sichern.

Wirtschaftliche Infrastruktur – Sachsen-Anhalts Wirtschaft nachhaltig zukunftsfest machen

Die Bedrohung der wirtschaftlichen Entwicklung durch die Pandemie wird für viele Branchen andauern. Schon heute brauchen Wirtschaft und Gesellschaft belebende Impulse durch sozial-ökologische Investitionen, die die wirtschaftliche Misere abfedern und die Herausforderungen Klimakrise, Digitalisierung und Strukturwandel angehen.

Der Umbau der Wirtschaft mit dem Ziel der Klimaneutralität und Ressourceneffizienz, der Ausbau Erneuerbarer Energien und die Umgestaltung von Agrarsektor und Lebensmittelindustrie bieten die Möglichkeit zum schnellen Aufbau von Jobs und nachhaltigem Wachstum.

Der Strukturwandel zu klimaneutralen Wirtschaften und der Ausweg aus der Pandemie müssen ökologisch nachhaltig sein. Das E-Auto zeigt, wie sich die Märkte weltweit zu sauberer Produktion und neuen Produkten verschieben. Mit einem Förderprogramm GreenInvest wollen wir Wirtschaft und Unternehmen auf dem Weg zu Ressourceneffizienz, Kreislaufwirtschaft und CO2-Neutralität fördern. Gerade auch die vom Kohleausstieg geprägten Regionen des Strukturwandels müssen die Bundesförderung insbesondere dafür nutzen. Dort könne neuen Technologien wie 5G, autonomes Fahren und Grüne Wasserstofferzeugung im Industriemaßstab erprobt werden. Exportchancen der Energie, Know-How und Technologie sollen sich anschließen.

Klimakrise, Digitalisierung, Strukturwandel und Corona-Pandemie eröffnen auch Möglichkeiten Neues zu entwickeln und Sachsen-Anhalt zum Standort für neue Lösungen, Technologien und Branchen zu machen. Nachhaltigkeit muss Kernbestandteil der Geschäftsmodelle und Produktideen sein um diesen Herausforderungen und den Märkten von morgen gerecht zu werden. Ökologisch und ökonomisch nachhaltig tragfähigen Unternehmungen muss daher ein Großteil unserer Bemühungen und Unterstützungen zu teil werden. Staatliche Hilfen wollen wir dazu an Nachhaltigkeitskonzepte knüpfen, damit unsere Wirtschaft im Land möglichst schnell klimaneutral und damit zukunftsfest wird.

Mit den begrenzten finanziellen Mitteln des Landes müssen wir nicht nur verschiedene Bereiche abdecken, die von Corona erschüttert wurden, sondern auch den Wiederaufbau nach der Krise stemmen. Hierfür kann auch ein weiterer Nachtragshaushalt notwendig werden. Im Landeshaushalt sind klimaschädliche Ausgaben kenntlich zu machen und zu vermeiden. Sowohl bei klimaschädlichen Ausgaben und bei Klientelförderungen ohne sozial-ökologischen Nutzen, sind Einsparpotenziale konsequent zu heben.

Ein zukunftsfestes Sachsen-Anhalt braucht entschlossenes Agieren und verlässliche Umsetzung, um den großen Herausforderungen zu begegnen und erfolgreich aus ihnen hervor zu gehen.

Beschlossen auf dem Digitalen Landesdelegiertenrat am 06. März 2021