Fridays for Future kann nur der Anfang sein

„Auf Dauer ist es sicherlich kein Zustand, wenn man die Schule schwänzt. Da hat übrigens auch das Klima nichts von, sondern das gelingt nur mit Technologie, mit wirtschaftlichen und politischen Anstrengungen. Dass die Schüler das einfordern, ist ihr gutes Recht, aber genauso ist das gute Recht der Gesellschaft zu sagen: ‚Ihr müsst aber auch irgendwann mal wieder auf die Schulbank zurück’“, sagte Marco Buschmann, parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, im Interview mit dem rbb-Inforadio diesen Freitag. Und tut damit so, als würde seit Monaten niemand mehr zur Schule gehen, was vollkommener Blödsinn ist.

Ein Blogbeitrag von Miriam Matz.

Das ist genau das Verhalten von Politiker*innen, auf das junge Menschen keine Lust mehr haben, wie ich bereits gestern in meinem Beitrag Politikverdrossene Jugend? – Nee, jugendverdrossene Politik beschrieben habe.

Anstatt sich auf ihre politische Forderungen einzulassen, spricht Buschmann lieber über Greta

Klimatische Kipppunkte stellt Buschmann im Interview in Frage, behauptet, sie seien wissenschaftlich nicht anerkannt. Indem Aktivist*innen immer wieder auf diese Kipppunkte verweisen, würden sie übertreiben. Angesprochen auf Greta Thunberg meint Buschmann, junge Menschen hätten auch mal das Recht, übers Ziel hinauszuschießen, während Politiker*innen die Aufgabe hätten, mit Augenmaß an die Themen heranzugehen. Offenbar hat Buschmann noch immer nicht verstanden, worum es in der Debatte geht. Dass das Augenmaß der Politik nicht bis zum nächsten Wahltag, sondern darüber hinaus reicht. Dass heute Entscheidungen getroffen werden, die das Leben der jungen und kommenden Generation maßgeblich beeinflussen werden. Buschmann fragt sich außerdem, wie Greta in ein „normales Leben“ zurückkehren könne. Greta hingegen macht immer wieder deutlich, dass es dieses „normale Leben“ nicht mehr lange gibt, wenn wir uns nicht endlich mal bewegen und handeln. Junge Menschen machen sich große Sorgen um ihre Zukunft und ihr Leben in dieser und verweisen auf Grundgesetzartikel 2 Absatz 2, der jedem Menschen das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit garantieren soll. Währenddessen setzt Buschmann auf Freiwilligkeiten, die niemandem weiterhelfen. 

„Als junger Mensch muss ich Porschardt sagen: Das interessiert mich nicht! Mich interessiert nicht, ob ein Auto schön ist oder eine ‚Seele‘ hat, es muss mich von A nach B bringen können.“

Kaufprämien für Elektro- und Hybridautos haben nicht dazu geführt, dass das Ziel von 1 Million Elektroautos in Deutschland bis 2020 erreicht wird. Es braucht ein Datum für ein Ende des Verbrennungsmotors in Deutschland – und das zeitnah. Zahlreiche andere europäische Staaten haben dieses Datum bereits und arbeiten jetzt schon mit Quoten für Elektroautos, die auch in China Anwendung finden. Da ist Nachziehen angesagt! Doch wie sehr manche Menschen hierzulande an Autos hängen, zeigte Ulf Poschardt, Chefredakteur der „Welt“-Gruppe, am Montag bei hart aber fair: „Wir können noch so viel über CO2-Reduktion reden, wir müssen uns darüber Gedanken machen, was die Leute mit ihrem Auto sonst noch so tun. Sie kommunizieren, wer sie sind, sie haben Spaß damit. […] Ich glaube, dass die Frage auch sein muss, wie man Elektromobilität emotionalisiert. Und da hab ich noch so meine leichten Fragezeichen, weil die E-Autos, die ich gefahren bin, sind von der Beschleunigung sehr interessant, aber die haben keine Seele. Das sind keine schönen Gegenstände.“ Als junger Mensch muss ich Porschardt sagen: Das interessiert mich nicht! Mich interessiert nicht, ob ein Auto schön ist oder eine „Seele“ hat, es muss mich von A nach B bringen können. Auch als Statussymbol beeindruckt mich ein Auto kein bisschen. Das geht nicht nur mir, sondern immer mehr jungen Menschen so. In Großstädten machen immer weniger junge Menschen einen Führerschein und genau dort leben viele junge Menschen bzw. wollen dies in Zukunft.

Für Konservative mag es radikal klingen, doch wer in einer Großstadt lebt und in dieser arbeitet, lernt oder studiert, braucht auch kein Auto! Selbst wenn es noch so bequem ist, der Individualverkehr hat keine allzu lange Zukunft mehr. Auch in kleineren Großstädten wie Halle oder Magdeburg ist Straßenbahn- und Busverkehr so weit ausgebaut, dass ein Auto einfach nicht notwendig ist. Zu Fuß oder per (Lasten-) Rad lässt sich vieles erledigen. Wenn es Millionenstädte wie Madrid oder Paris schaffen, einige Stadtteile für den individuellen Autoverkehr zu sperren, dann schaffen wir es auch! Es braucht jedoch den politischen Willen dafür. Niemand will von heute auf morgen alle Autos aus Städten verbannen, sondern sukzessive Stadtteil für Stadtteil autofrei gestalten. Städte gehören den Menschen, nicht den Autos, also lasst uns da Lösungen finden statt immer nur darüber zu reden!

Die wichtige Rolle der ländlichen Räume

Doch die Zukunft der Mobilität wird nicht in den Städten, sondern in den ländlichen Räumen entschieden. Auch dort gibt es Menschen – besonders jüngere und ältere – die kein Auto haben und trotzdem mobil sein wollen. Menschen, die mit dem Rad zur Arbeit fahren und auch gerne einen Bus nutzen würden, wenn denn einer fahren würde. Statt über Autobahnanbindungen zu reden und immer neue Umgehungsstraßen zu bauen, brauchen wir endlich einen gut getakteten öffentlichen Nahverkehr in den ländlichen Räumen, der auf der Schiene und mit elektro- oder wasserstoffbetriebenen Bussen stattfindet. Einen Nahverkehr, der sinnvoll mit Fuß- und Radverkehr, aber auch Car-Sharing verbunden wird. Das ist weit wichtiger als ein Autobahnanschluss, auch wenn Konservative stets behaupten, wir bräuchten diese, damit sich Unternehmen ansiedeln. Die Unternehmen hingegen interessieren sich viel mehr für ein funktionierendes Internet am Standort, weshalb wir dieses in Sachsen-Anhalt massiv ausbauen müssen. Es braucht eben doch 5G an jeder Milchkanne!

In den ländlichen Räumen entscheidet sich auch die Zukunft der Landwirtschaft, die ebenfalls ein wichtiger Player fürs Klima ist. Industrielle Massentierhaltung muss ein Ende haben, Ökolandbau hingegen ausgebaut werden. In Anpassung an die Klimakrise müssen wir Bündnisgrüne vielleicht auch einige unserer Positionen überdenken, um auch zukünftig Ernährungssicherheit garantieren zu können.

In den ländlichen Räumen des südlichen Sachsen-Anhalt geht es auch darum, den Strukturwandel zu gestalten. Nicht mit Investitionen in immer neue Straßen, Aussichtstürme oder den Ausbau eines unbedeutenden Kanals. Sondern mit Millioneninvestitionen in Internetausbau, in Forschung, in Bildung, in Mobilität, in den Energiebereich. Hier können wir nicht nur Strukturwandel erforschen, hier können wir Klimafolgenanpassung und Speichertechniken erforschen. Die Voraussetzungen und das Potential haben wir, wir müssen es nur anpacken!

Nun muss gehandelt werden

Mit Freiwilligkeiten schaffen wir das nicht, auch wenn Herr Buschmann das sicherlich anders sieht. Dass Handlungsdruck besteht, zeigen uns freitags zahlreiche Schüler*innen. Und sie haben es geschafft, dass das Thema Klima endlich auch in den Medien und in der Gesellschaft diskutiert wird. Doch nur diskutieren reicht nicht. Denn das Gefühl, das Leben würde immer so weitergehen und Veränderungen seien nicht nötig, trügt. Es muss gehandelt und gestaltet werden! Mit einer Einstellung und Weitsicht, die weiter reicht als bis zur Wahl, mit Mut und Zuversicht. Die Akzeptanz für Veränderung ist da, also lasst sie uns annehmen. Lasst uns gemeinsam handeln!