Es ist Zeit, einen Schritt zur Seite zu gehen.

Liebe Freundinnen und Freunde,

bei mir ist in den letzten Tagen die Entscheidung gereift, dass ich auf unserem Landesparteitag im Juni nicht erneut als Landesvorsitzender unserer Partei kandidieren werde.

Auch wenn es mir natürlich nicht leicht fällt, dieses Amt aufzugeben, bin ich zu der Überzeugung gelangt, aufgrund persönlicher Umstände in der nächsten Zeit meinen Fokus mehr auf das Privatleben zu legen. Mein politisches Engagement werde ich entsprechend reduzieren, mich aber weiterhin – in weniger umfangreicher Tätigkeit – für die Partei einsetzen.

Wir haben in den letzten beiden Jahren seit der Landtagswahl 2016 viel erreicht: In der Kenia-Koalition gestalten wir Politik für Sachsen-Anhalt entlang unserer Werte und können eine ganze Reihe von Erfolgen verbuchen. Auch wenn die Koalitionspartner unsere Geduld durch fehlende Verlässlichkeit und gewissen Unwillen zur Zusammenarbeit immer wieder auf die Probe stellen, können wir Grüne schon jetzt stolz sein auf unsere Arbeit.

Ich bin davon überzeugt, dass wir unsere Werte und unsere Demokratie nicht als selbstverständlich ansehen dürfen. Die Haltung, mit der wir täglich unsere Gesellschaft prägen, hat einen immensen Einfluss auf unsere Gesellschaft insgesamt. Wir leben in einer Welt mit großen Ungerechtigkeiten und Herausforderungen, aber auch vielen Chancen. Es liegt an jedem Einzelnen von uns, sich dafür zu entscheiden, diese Welt jeden Tag ein Stück besser zu machen. Wenn wir uns dabei dafür entscheiden uns für politische Ämter zur Verfügung zu stellen, dann übernehmen wir eine besondere Verantwortung auf Zeit.

Ich habe seit 2008 jede freie Minute dazu genutzt, mich politisch zu engagieren. Erst im Jugendstadtrat und Landesschülerrat, dann bei der GRÜNEN JUGEND und seit 2009 auch bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Ich habe für den Bundestag und mehrmals für den Landtag kandidiert. Gemeinsam haben wir Wahlkämpfe geführt und Menschen von unseren Ideen überzeugt. Wir haben uns in Menschenketten und Sitzblockaden Nazis entgegengestellt, Veranstaltungen wie den Christopher Street Day organisiert, in langen Sitzungen Anträge für Parteitage geschrieben und für den Erhalt unserer Umwelt und die Würde und Freiheit jedes Einzelnen gestritten. Bei all diesen Stationen habe ich viele motivierte Menschen kennenlernen dürfen, die mich mit ihrem Engagement und ihrer Motivation tief geprägt haben. Ich meine damit ausdrücklich nicht nur die bekannten Gesichter, wie unseren bekannten Bürgerrechtler Hans-Jochen Tschiche. Die Termine in den kleinen Kreisverbänden mit wenigen Aktiven, die aber mit ganzem Herzen dabei sind, waren oft die am meisten motivierenden Begegnungen.

Die letzten 10 Jahre – von meinem 15. Lebensjahr bis heute – habe ich meine ganze Energie in diese Partei gesteckt. Ich liebe diese Partei, aber ich weiß auch, dass es für mich an der Zeit ist, einen neuen Weg zu gehen. Das ist kein Ende meiner politischen Überzeugungen oder Aktivitäten, sondern ein Schritt zur Seite, um Platz zu machen für jene, die frische Ideen in dieses Amt bringen, von denen die Partei in den nächsten Jahren hoffentlich profitieren wird. Ich halte es für wichtig, mein Leben nicht von politischen Ämtern abhängig zu machen. Der Weg „Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal“ ist für mich keine Option.

Ich habe einen großen Respekt vor der Arbeit, die unsere Landtagsabgeordneten leisten, und vor dem zeitlichen Aufwand, der damit verbunden ist. Auch als Landesvorsitzender habe ich diese Erfahrungen gemacht. Und ich sehe auch, welche persönlichen Entbehrungen für die Familie und einen selbst mit dieser Arbeit einhergehen. Es ist deshalb für mich in meiner jetzigen Lebensphase keine Option, den Weg der Berufspolitik ununterbrochen weiterzugehen.

Der jetzige Wechsel an der Spitze der Parteiführung bietet meinen Nachfolger*innen ausreichend Zeit, sich in das Amt der/des Landesvorsitzenden einzugewöhnen, um in den nächsten Jahren selbstbewusst die nötigen Vorbereitungen für die Landtagswahl zu treffen. Ein späterer Führungswechsel in zwei Jahren würde sie vor vollendete Tatsachen stellen, da viele organisatorische Entscheidungen bereits getroffen wären.

Mit dem Ende der Wahlperiode des Stadtrates der Hansestadt Salzwedel im Mai 2019 werde ich alle politischen Ämter und Mandate abgelegt haben. Bis zum Ende meiner Amtszeit als Landesvorsitzender am 16. Juni 2018 werde ich meine Aufgaben weiter gewissenhaft wahrnehmen. Ganz besonders freue ich mich, euch am 26. Mai beim GRÜNEN TAG in Magdeburg begrüßen zu können.

Mit Susan Sziborra-Seidlitz hatte ich eine Co-Vorsitzende an meiner Seite, deren Art ich in den letzten Jahren besonders schätzen gelernt habe. Ich möchte mich für die konstruktive Zusammenarbeit im Landesvorstand und mit den Kreisverbänden, der Landtagsfraktion und unseren Regierungsmitgliedern bedanken. Ein besonderer Dank gilt dem Team der Landesgeschäftsstelle, um unseren Landesgeschäftsführer Martin Grimm, Presse- und Öffentlichkeitsreferenten Ruben Engel und unsere Finanzreferentin Ramona Schmied-Hoboy.

Abschließend möchte ich mich bei allen bedanken, die mich in den letzten Jahren unterstützt haben, zuvorderst bei meinem Kreisvorsitzenden Martin Schulz. Besonderer Dank gilt auch den starken Frauen aus dem Wendland und Sachsen-Anhalt, die mich politisch und persönlich geprägt haben: Sabine Danicke, Martina Lammers, Rebecca Harms, Undine Kurth, Dorothea Frederking, Claudia Dalbert, Conny Lüddemann und Steffi Lemke.

Wir werden einander ganz sicher erhalten bleiben.

Herzliche Grüße

Christian Franke