ÖPNV im ländlichen Raum stärken – Das Ziel ist stündliche Erreichbarkeit: Landesplanerische Vorgaben schaffen

Wir beauftragen unsere Landtagsfraktion, alles Mögliche zu tun, um das Ziel des grünen Sachsen-Anhalt-Taktes zu erreichen.

Der Nahverkehr im ländlichen Raum ist in Sachsen-Anhalt deutlich ausbaunotwendig. Um die grüne Zielstellung Realität werden zu lassen, dass ganztägig jeder Ort über 1.000 Einwohner stündlich durch ein öffentliches Nahverkehrsangebot erreichbar, kleinere Ortschaften alle zwei Stunden und auch die SPNV Verbindungen regelhaft stündlich verkehren – der GRÜNE Sachsen-Anhalt-Takt – muss sich noch viel entwickeln[1]. Ebenso für das Ziel eines integrierten Taktfahrplans mit der Abstimmung des Fern- und Nahverkehrs auf die Nahverkehrsangebote vor Ort. Uns ist die Herausforderung bewusst, vor dem Hintergrund der angespannten Haushaltslage durch fehlgeleitete Investitionen, zusätzlichen Ausgaben durch die Coronapandemie und durch die Anforderungen der Schuldenbremse. Aber gerade dann darf es nicht sein, dass Mittel des Nahverkehrs zweckentfremdet werden oder Bundesmittel ungenutzt bleiben. Die Zweckentfremdung der Bundesmittel zur Förderung von ÖPNV und SPNV zur Finanzierung des Schülerverkehrs muss endlich ein Ende haben. Damit gehen dem Nahverkehr im Land jährlich 31 Mio. Euro verloren. Erfolgt hier keine Kursänderung steuern wir unter den gegenwärtigen Verhältnissen auf eine immense Finanzierungslücke zu.

Mit Blick auf die kommenden Jahre zeigt sich aber eben auch: nie waren die Zeiten so günstig für eine langfristige ÖPNV-Offensive. Die neue rot-grün-gelbe Bundesregierung will zusätzlich zu der seit 2020 verankerten Dynamisierung von 1,8 % die Regionalisierungsmittel zur Förderung des ÖPNV und SPNV deutlich erhöhen Auch die Mittel des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes werden im Rahmen des Klimaschutzprogramms 2030 ab 2025 von insgesamt 1 Milliarde Euro auf 2 Milliarden Euro anwachsen. Diese Gelder sind im Land insbesondere für die neu eingeführten Fördertatbestände zur Streckenaktivierung, -ausbau und zur Elektrifizierung zu nutzen. In der Vergangenheit setzte Sachsen-Anhalt den Fokus auf investive Großvorhaben im städtischen Raum mit der „Stadtbahn Halle 2025“ und der zweiten Nord-Süd-Verbindung in Magdeburg. Das war richtig, aber künftig müssen die ländlichen Räume im Fokus stehen. Dem sprichwörtlichen Narrativ des Abgehängtseins der ländlichen Räume kann so etwas Zukunftsfestes entgegengesetzt werden. Menschen fühlen sich ernstgenommen, ländliche Gemeinden werden attraktiver, auch für junge Menschen und Familien.

Um ländliche Räume wieder anzukoppeln, braucht es Vorlauf auf Landesebene. Im Rahmen einer qualitativen Diskussion über den Landesnahverkehrsplan mit Akteur*innen der ländlichen Räume sollen Kriterien für eine neue Erschließungsqualität der ländlichen Räume erreicht werden. Immer mit dem Ziel, die stündliche Erreichbarkeit zu gewährleisten. Dazu müssen unterschiedliche Verkehrsträger wie Busse und Bahnen vernetzter und flexibler gedacht werden. Das neue Personenbeförderungsgesetz eröffnet neue Spielräume für flexible Bedienformen im ÖPNV. Hier ist das Land gehalten im Austausch mit den Kommunen konkrete Umsetzungsmodelle zu entwickeln und auf Landesebene ideell und finanziell zu unterstützen. Das in der Aufgabenträgerschaft des Landes befindliche Landesnetz soll auf alle Grundzentren ausgebaut werden. Neue Ansätze sind auch im Bereich des kombinierten Personen- und Güterverkehrs sinnvoll. Entsprechende Projekte wie Kombibus aus Brandenburg sind im Land auf ihre Anwendbarkeit hin zu überprüfen, um gerade die Erschließung peripherer Gebiete zu stärken. Und auch ein besserer Umstieg vom Auto oder hin zum Rad sind notwendig zu gewährleisten. Das kann gut über multifunktionale Mobilitätsschnittstellen geschehen. Der Passus im Koalitionsvertrag der aktuellen Landesregierung zum Nahverkehr strebt zwar allgemeine Verbesserungen an, bleibt in seinen Zielen aber sehr vage. Mit unserem GRÜNEN Sachsen-Anhalt-Takt und dem umfassenden Ziel den Umweltverbund – Rad- und Fußverkehr sowie ÖPNV – auf über 50% am Modal Split zu heben, setzen wir dem klare und überprüfbare mobilitätspolitische Meilensteine entgegen.

Dabei ist der Schienenverkehr ein wesentlicher Teil des dekarbonisierten öffentlichen Verkehrs, daher setzen wir uns insbesondere für die Elektrifizierung und den Ausbau auf höhere Geschwindigkeiten von Strecken ein. Strecken, auf denen der Personenverkehr abbestellt wurde, dürfen nicht stillgelegt oder entwidmet werden, sodass kommenden Generationen die Möglichkeit zur Reaktivierung erhalten bleibt. Zudem müssen dringend auch landkreis- und landesgrenzenüberschreitende Verbindungen ermöglicht werden. Hier muss dringend das Steuer herumgerissen werden. Busverkehre sind fast ausschließlich auf das nächste Grund- oder Mittelzentrum ausgerichtet, wohingegen die Fahrt in den Nachbarkreis häufig sehr schwierig ist. Entsprechend haben wir hierzulande einen massiven Nachholbedarf in Sachen Reaktivierung und Ausbau des Angebots. Dabei gilt für uns das Credo: Angebot schafft Nachfrage. Prüfungen zur Wirtschaftlichkeit von Strecken dürfen nicht am Status Quo und kurzfristigen Zeithorizonten gemessen werden. Vielmehr gilt es ein qualitativ hochwertiges Nahverkehrsangebot zu schaffen und genügend Zeit einzuplanen, bis dieses etabliert ist. Der Umstieg auf andere Verkehrsmittel ist ein Prozess, der nicht massenhaft von heute auf morgen erfolgt. Bis Menschen ihre Mobilitätsgewohnheiten ändern und beispielsweise das Auto stehen lassen und dafür den Bus nehmen, kann einige Zeit vergehen. Ist mithin sogar eine Generationenfrage. Daher ist die Schaffung eines attraktiven Nahverkehrsangebots nachhaltig und konsequent zu betreiben. Es ist ein Zielnetz für die Zeithorizonte 2030, 2040 und 2050 zu entwickeln. Dafür ist über Legislaturperioden hinaus zu denken. Entsprechend braucht es eine Mobilitätspolitik mit langem Atem. Diese Ausdauer gilt es auf Landesebene zu entwickeln und durch klare Zielstellungen in den entsprechenden Gesetzen zu normieren.

Aktuelle Handlungsoptionen liegen in einer Novellierung des Landesnahverkehrsplanes und in der Schaffung von Grundlagen im Rahmen der Neuaufstellung des Landesentwicklungsgesetzes, diese gilt es konsequent zu nutzen, um den Umweltverbund in Gänze und insbesondere den Nahverkehr als Rückgrat der Mobilitätswende zu stärken

[1] SPNV Verbindungen, die noch keinen Stundentakt realisieren sind bspw.:

  • RB47/48 Halle- Könnern- Bernburg- Calbe(- Magdeburg)
  • S9 Halle- Eilenburg
  • RB-Halte zwischen Stendal- Salzwedel (RB32)
  • RB-Halte zwischen Schönebeck- Staßfurt- Güsten (RB41)
  • alle Halte zwischen Güsten- Hettstedt- Sangerhausen (RE10)
  • einzelne Halte zwischen Könnern- Aschersleben- Halberstadt (RE4/24, RB44)

Beschlossen auf dem Digitalen Landesdelegiertenrat am 19. März 2022