Gut ausgebildet in Sachsen-Anhalt

Bündnis 90/Die Grünen in Sachsen-Anhalt sehen den Bedarf das Berufsausbildungssystem in Deutschland zu verbessern und wir sehen die Möglichkeit auch in Sachsen-Anhalt etwas Wesentliches zur qualitativen Aufwertung beizutragen. Niemand darf auf dem Weg zur Berufsausbildung verloren gehen. Wir wollen jedem/r die Möglichkeit geben aus seinem/ihrem Leben das zu machen, was er oder sie sich vorstellt.
Seit Jahren wird über die tatsächlich dringend erforderlichen Erneuerungen des allgemeinbildenden Schulsystems diskutiert und Veränderungen als drängend angesehen. Auch wir haben dazu unsere Vorstellungen dargelegt. Dabei gerät die Berufsausbildung allzu leicht aus dem Blick des politischen und gesellschaftlichen Handelns. Nur bei den jährlich erscheinenden Zahlen der BerufsausbildungsabrecherInnen und bei der Bekanntgabe der Differenzen zwischen Ausbildungsplatz-Nachfrage und -Angebot wird aufgehorcht.

Eine gute Ausbildung bildet das Fundament für ein Leben mit Zukunft, für ein Leben mit Perspektiven, das nicht in der Sackgasse endet. Zudem brauchen wir gut ausgebildete Fachkräfte hier im Land. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass junge Erwachsene die Übergänge von der Schule in das berufliche Leben über Berufsausbildung oder Studium erfolgreich bewältigen können. Darüber hinaus muss Politik dafür sorgen, dass Jugendliche bessere Bildungsabschlüsse erreichen können als dies für viele heute möglich ist.
In der letzten OECD Studie vom September 2010 wird deutlich wo die Defizite in der Berufsausbildung in Deutschland liegen. In keinem anderen Bildungszweig kommen so viele Akteure und unterschiedliche Interessen zusammen wie in der beruflichen Bildung. Übergänge und Kooperationen sind daher das große Problem des Ausbildungssystems auch bei uns in Sachsen- Anhalt.

Bündnis 90/ Die Grünen wollen SchülerInnen in Sachsen-Anhalt eine Ausbildungsperspektive geben und die duale Ausbildung qualitativ den neuen Herausforderungen anpassen. Hierzu halten wir 10 Schritte für notwendig.

1. Wir sehen Handlungsbedarf schon in den allgemeinbildenden Schulen. Diese müssen zukünftig
den SchülerInnen eine tatsächliche Berufsorientierung ermöglichen. Dies muss für alle Schulen ab der achten Klassenstufe gelten, also auch für die Gymnasien. Denn jede SchülerIn hat das Recht, sich beruflich für Ausbildung und Studium zu orientieren. Für eine tatsächliche berufliche Orientierung reicht ein 14tägiges Betriebspraktikum nicht aus. Bündnis 90/ Die Grünen setzen sich für einen Diskurs der Schulen mit berufsbildenden Schulen und Ausbildungsbetrieben ein. So arbeiten alle gemeinsam dafür, dass in Zukunft in den Schulen eine tatsächliche berufliche Orientierung ermöglicht wird, z.B. neben Betriebspraktika durch dauerhafte Schul- Betriebkooperationen und polytechnische Unterrichtsanteile. Zudem wollen wir auch zur Berufsorientierung den Diskurs mit den Eltern suchen, die durch ihre eigene berufliche Tätigkeit eine wichtige Vorbildfunktion erfüllen können.

2. Zudem muss die Qualität der Allgemeinbildung soweit gestärkt und qualitativ verbessert werden, dass keinE SchülerInn ohne ausreichende Kenntnisse in den Basiskompetenzen die Schule verlässt. Die Kompetenzen in Deutsch und Mathematik, wie sie in den Bildungsstandards für die 10. Klasse definiert werden, müssen sichergestellt werden und müssen ein verbindliches Erfolgskriterium für allgemeinbildende Schulen darstellen.

3. Die mangelhafte Berufsorientierung führt zu Fehlentscheidungen und zur Berufswahl fernab von Interessen und Kompetenzen. In Sachsen-Anhalt befinden sich zu viele Jugendliche in endlosen Warteschleifen und nicht zukunftsweisende Bildungsbiografien entstehen. So ist es eine zentrale Aufgabe, Jugendliche zu einer Ausbildungwahl zu befähigen, die ihren Interessen und Kompetenzen entspricht. Gerade auch der Berufswahlprozess muss unterstützt und gefördert werden.

4. Leider ist es keine Seltenheit, dass Jugendliche nach der Schule erst einmal keinen Ausbildungsplatz in einem Betrieb finden und dann von Bildungsträgern aufgefangen werden. Diese Ausbildung kann sogar umfassender sein als eine vergleichbare im regulären Dualen System von Schule und Betrieb. Jedoch ist es durch die mangelnde Akzeptanz dieser meist zweijährigen Ausbildungsgänge schwer, anschließend einen regulären Arbeitsplatz zu bekommen. Die Folge ist häufig eine Schleife von Weiterbildungen, Aushilfsjobs, Ein-Euro-Jobs und Schulungen aller Art. Bis schlussendlich ein Lebenslauf entsteht, in dem durch aufgezwungene Weiterbildungsinstrumente kein roter Faden von Berufsinteressen und besonderen Kompetenzen mehr erkennbar ist. Diese jungen Menschen sind dadurch schwerer vermittelbar. Wir wollen diese Warteschleifenpolitik ablösen, indem wir junge Menschen systematisch und zielorientiert fördern. Das gesamte Übergangssystem bedarf einer verbesserten Koordinierung.

5. Bildungsträger müssen ebenso wie berufsbildende Schulen Qualitätskriterien entsprechen, die wir permanent evaluieren wollen. Bildungsträger und Schulen wollen wir dazu verpflichten, die Ergebnisse dieser Qualitätsanalysen zu veröffentlichen, um die Auswahl so zu erleichtern und einen Qualitätswettbewerb zu erreichen. Diese Evaluationen dürfen jedoch keinen großen bürokratischen Mehraufwand bedeuten und sind verständlich zu entwickeln. So können auch Betriebe bei der Wahl möglicher ArbeiternehmerInnen schnell überblicken, welche Qualitätsstufe die jeweilige Ausbildungsstätte erreicht. Eine bundesweite Vereinheitlichung ist anzustreben.

6. Sowohl das Grundrecht auf eine angemessene Ausbildung als auch die rückläufigen Ausbildungszahlen müssen dazu führen, dass alle Anstrengungen unternommen werden, um AusbildungsabrecherInnen eine Zukunft zu geben. Es ist eine individuelle wie auch gesellschaftliche Verschwendung von Lebenszeit, Geld und Anstrengung, ein oder gar zwei absolvierte Ausbildungsjahre nicht in der weiteren beruflichen Qualifizierung nutzen zu können. Wir wollen daher, dass alle absolvierten Ausbildungsschritte zeitnah dokumentiert werden, so dass sie in nachfolgenden Ausbildungen unkompliziert angerechnet werden können. Schon jetzt sind zahlreiche Ausbildungsberufe in Grund- und Fachstufen gegliedert. So dass es aus dem ersten Jahr der Grundstufe der Berufsausbildung theoretisch leicht sein sollte, in einen anderen Ausbildungsberuf zu wechseln. Dies wird in der Praxis durch komplizierte Anrechnungsverfahren aber unnötig erschwert. Bündnis 90/Die Grünen setzen sich auf Bundes- und Landesebene für die Qualifizierung mit Ausbildungsbausteinen ein. Mit DualPlus soll in Bausteinen ausgebildet werden. So haben AusbildungsabrecherInnen einen Nachweis, der sich durch Anrechnung in anderen Berufsausbildungen leicht verwenden lässt. Die Gesellschaft entlässt so niemanden ohne Perspektive und „verlorene“ Jahre durch nicht Interessen geleitete oder falsche Berufswahl.

7. Ein weiterer möglicher Grund für Abbruch der Ausbildung ist die Insolvenz des Ausbildungsbetriebes. Um diesen Jugendlichen, die unverschuldet ihren Ausbildungsplatz verlorenen haben, eine Perspektive zu geben und sie nicht in außerbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen kostenintensiv auszubilden, bedarf es eines, in anderen Bundesländern schon erprobten Unterstützungssystems für Betriebe, die Auszubildenden aus Insolvenzen übernehmen.

8. Für diejenigen, die ihre Ausbildung erfolgreich durchlaufen und abschließen, gibt es meist eine ernüchternde Erkenntnis, die bereits seit längerem durch Bündnis 90 / Die Grünen und seit September 2010 auch in der OECD Studien zur Berufsbildung angemahnt wurde. Die in den berufsbildenden Schulen erbrachten Leistungen werden nicht in das Abschlusszeugnis der Kammern aufgenommen. Zur Aufwertung der schulischen Leistungen und für eine tatsächliche Verknüpfung der berufsbildenden Schulen mit der betrieblichen Ausbildung innerhalb des Dualen Systems, müssen die Noten der berufsbildenden Schulen als Teil der Abschlussnote verrechnet werden; in einer Übergangsphase kann dies durch Angabe auf dem
Abschlusszeugnis schnell eingeführt werden.

9. Zur Stärkung der berufsbildenden Schulen sollten ihnen ebenso wie den Regelschulen
pädagogische und finanzielle Freiräume und Budgets gegeben werden, ein Ausbau der berufsbildenden Schulen zu regionalen Kompetenzzentren ist zu ermöglichen. Regionale Kompetenzzentren sind regional in ein Netzwerk von Wirtschafts-, Aus- und Weiterbildungsakteuren eingebunden und können so über den Hauptauftrag der dualen Erstausbildung hinaus auch Erwachsenen Aus- und Weiterbildung je nach Bedarf und Nachfrage anbieten.

10. Keine gute Ausbildung ohne gute AusbilderInnen und LehrerInnen: Hierzu muss das Angebot der Zweitfächer dringend erhöht und die Attraktivität des Lehramtsberufes verbessert werden. Die bestehenden Konzepte zur Umstrukturierung des Lehramts an berufsbildenden Schulen sind zu beobachten und Evaluationsergebnisse zu beachten, um die Qualität des Studiums zu verbessern. Eine stärkere Verzahnung des Studiums mit der Praxis sowohl in den berufsbildenden Schulen als auch mit Ausbildungsbetrieben scheint wünschenswert.