Gesundheitsversorgung im Flächenland Sachsen-Anhalt sichern – neue Wege für den Notfall

Ziel dieses Antrags ist es die Gesundheitsversorgung auf dem Land in den Fokus unserer Grünen Landespolitik zu bringen. Der LPT beschließt, dass sich die Landespartei, die Fraktion, die LFGen und interessierte Mitglieder intensiv mit diesem Thema und den im folgenden genannten Schwerpunkten beschäftigen um Grüne Vorschläge für Sachsen-Anhalt zu entwickeln.

Dafür setzt sich der Landesverband und die Landtagsfraktion B‘90/Grüne Sachsen-Anhalt ein:

Wir begrüßen und unterstützen alle Maßnahmen der Landesregierung, um mehr junge Mediziner*innen ins und vor allem auf das Land zu holen und dort zu halten. Gleichzeitig ist schon jetzt klar, dass alle bisherigen Anstrengungen nicht ausreichen werden, die Landarztversorgung flächendeckend sicherzustellen. Deswegen schlagen wir zunächst modellhaft weitere Maßnahmen vor: Wir wollen „andere Berufszweige einbinden, um die vorhandenen Strukturen zu entlasten. Mobile Praxisassistentinnen und –Assistenten sind in anderen Bundesländern schon ein Erfolgsmodell, denn sie entlasten Ärztinnen und Ärzte ebenso wie Patientinnen und Patienten. Diese Pflegenden sollten durch Qualifizierungen ihre Kompetenzen zur Übernahme übertragungsfähiger ärztlicher Aufgaben stärken. Eine solche Ausweitung ihrer Aufgaben entlastet weiter unseren Bedarf an Ärztinnen und Ärzten auf dem Lande.“ (aus dem Programm von Bündnis90/die Grünen Sachsen-Anhalt zur Landtagswahl 2016)

Wo die Krankenhausplanung des Landes und wirtschaftliche Not von Klinikbetreibern zu Bettenabbau und Schließung von Klinikstandorten führt, ist auch die schnelle Notfallversorgung gefährdet. Zwar kann vielerorts im Land die festgelegte Hilfsfrist (Zeit von der Alarmierung bis zum Eintreffen des ersten Rettungsfahrzeuges) von 12 Minuten überwiegend eingehalten werden, doch zeigen die Zahlen aus 2018 dass das im Harz in nur rund 69 Prozent der Fall ist, und selbst die Stadt Magdeburg als Spitzenreiter mit 89 Prozent immer noch deutlich unter der gesetzlichen Richtgröße (kleine Anfrage KA 7/2548) liegt. Das ist ein besorgniserregendes Bild, auf das die Landespolitik gute Antworten finden muss. Zudem gibt es zunehmend Orte, von denen aus der Abtransport in die nächstgelegene Notaufnahme selbst unter Blaulicht 20 Minuten oder länger dauert. Das gefährdet Leben und Gesundheit und ist nicht hinnehmbar.

 Wir schlagen vor, das Land Sachsen-Anhalt soll Lösungen für die medizinische Notfallversorgung in Räumen ohne schnell erreichbares Klinikum erproben. Die bereits angelaufenen Gespräche zwischen der Stadt Genthin und den Johannitern bieten einen guten Ansatz für einen Modellversuch in dieser Stadt. Von Genthin aus sind nach der Schließung des dortigen Klinikums die drei nächstgelegenen Notaufnahmen in jeweils 30 Minuten zu erreichen. Um eine Notfallversorgung vor Ort zu gewährleisten berät nun die Stadt mit den Johannitern als Träger einer der drei Umgebungskliniken über die Errichtung einer Portalklinik im Sinne einer Notfallaufnahme mit angeschlossener Kurzzeitstation (5-10 Betten). Solch ein Notfallstation hat mit einer Klinik der Grund- und Regelversorgung wenig zu tun und kann bei zeitkritische Therapien für nicht mehr transportfähige Patienten keine ausreichend gute Versorgung bieten, sie würde aber eine zeitnahe Erstversorgung in den allermeisten Fällen sichern. Um solche oder bessere Lösungen in diesen Regionen, auch in möglicher Kooperationen mit medizinischen Versorgungszentren und Pflegeeinrichtungen, zu entwickeln, soll das Land für Genthin ein Modellprojekt ermöglichen, unterstützen und begleiten. Ziel soll dabei die Erprobung echter Portalkliniken sein.

Die geplante Akademisierung der Hebammenausbildung ist ein großer Erfolg. Gleichwohl bleibt die berufliche Situation der Hebammen in der Bundesrepublik schwierig. Eine Folge davon sind immer weniger praktizierende Geburtshelferinnen in Sachsen-Anhalt. Auch die Zahl der geburtshilflichen Klinikbetten in Sachsen-Anhalt nimmt ab. Wir sind froh, dass Sachsen-Anhalt mit dem Modellprojekt „hebammengeleiteter Kreißsaal“ ein Instrument zum Gegensteuern nutzt. Wir wollen eine flächendeckende klinische und außerklinische geburtshilfliche Versorgung, aber auch Vor- und Nachsorge, ermöglichen. Es bleibt dennoch vor Allem im Bereich Versicherungen und Vergütungen vieles zu tun. Wir setzen uns für einen Wechsel hin zu einem öffentlich-rechtlichen Haftpflichtsystem für alle Gesundheitsberufe ein. Bis dahin unterstützen wir kreative Unterstützungsformen für Hebammen. Die geburtshilfliche Situation im Land wird weiterhin Gegenstand der politischen Positionierung und Auseinandersetzung von Bündnis90/die Grünen in Sachsen-Anhalt sein.

Dem Fachkräftemangel in der Pflege lässt sich nur mit einer Aufwertung der Berufe in der Pflege begegnen. Dazu gehören gute Arbeitsbedingungen, eine qualifizierte Ausbildung, faire Vergütung und Wertschätzung der Arbeit. Bündnis90/die Grünen in Sachsen-Anhalt begrüßt die Reform der Pflegeausbildung durch das neue Pflegeberufegesetz und fordert die Landesregierung auf, die Umsetzung der generalistischen Ausbildung im geplanten Umsetzungsgesetz progressiv und modern anzugehen. Ein Jahr vor Beginn der neu zu strukturierenden Ausbildunggänge ist die Unsicherheit bei Ausbildungsträgern und zukünftigen Auszubildenden noch hoch. Für einen Erfolg der Reform ist es wichtig, bei Ausbildern und Azubis für Transparenz zu sorgen und offensiv die Chancen des neuen Modells hervorzuheben.

Wir brauchen in Sachsen-Anhalt mehr Studienplätze für Pflegestudiengänge im Direktstudium und in dualen Studiengängen.

In vielen Bundesländern fungieren inzwischen Pflegekammern als Stimme der beruflichen Pflege, die auf Augenhöhe mit Politik und Gesellschaft verhandelt. In einigen anderen Bundesländern werden diese eingerichtet, in einigen wurde die Errichtung in Befragungen von beruflich Pflegenden abgelehnt. Auch eine Gründungskonferenz für eine Bundespflegekammer ist inzwischen installiert. Wir fordern die Landesregierung auf, die beruflich Pflegenden in geeigneter Form zur Errichtung einer Landespflegekammer zu befragen und diesem Votum zur Errichtung oder Nichterrichtung zu folgen.

Beschlossen auf dem 41. Landesparteitag in Magdeburg am 29. Juni 2019