Für einen fairen Welthandel, der den Menschen dient und die Natur achtet! CETA, TTIP und TiSA im Bundesrat verhindern! 18. June 201623. March 2022 Während die TTIP-Leaks unsere Befürchtungen über die geplante Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) bestätigen, liegt der ausverhandelte Vertragsentwurf zum 5 kanadisch – europäischen Handelsabkommen (CETA) bereits vor und soll in den kommenden Monaten dem europäischen Rat und dem Europaparlament zur Beschlussfassung vorgelegt werden. In großen Teilen der Bevölkerung stoßen diese Abkommen auf Widerstand, der in lautstarkem Protest im Herbst 2015 in Berlin, sowie im April 2016 in Hannover seine bisherigen Höhepunkte hatte. Im Zentrum der Kritik stehen fehlende Transparenz der Verhandlungen und eine Verhandlungsagenda, die einseitig auf Deregulierung und Investorenschutz setzt, zu Lasten von Demokratie, Umwelt und Verbraucher*innen. Bündnis 90/Die Grünen Sachsen-Anhalt halten die Proteste und die Kritik an den Verhandlungen für begründet und notwendig und unterstützen sie ausdrücklich. Keine Klageprivilegien für Konzerne In Handels- und Investitionsabkommen der EU darf es nach unserer Auffassung keine Sonder- Klagerechte für Großkonzerne geben. Diese werden immer häufiger von internationalen Konzernen dazu genutzt, Staaten auf milliardenschwere Entschädigungszahlungen zuverklagen. Oft zielen diese Klagen dabei auf Regulierungen zum Umwelt- oder Verbraucher*innenschutz oder auf Regulierungen zum sozialen Ausgleich. Bündnis 90/Die Grünen in Sachsen-Anhalt halten solche einseitigen Sonderklagerechte für den falschen Weg. Dies gilt gleichermaßen für die privaten Schiedsgerichte (ISDS), wie für einen zu schaffenden „Investment Court System“ (ICS), wie er bei CETA vorgesehen ist. Beim ICS greift die Kommission zwar einige Verbesserungen gegenüber ISDS auf, etwa die Einführung einer Berufungsinstanz, Vorschläge zur Verbesserung der Transparenz bei Schiedsverfahren und zur transparenteren Besetzung der Schiedsrichter*innen. Gleichzeitig handelt es sich bei ICS im Kern weiterhin um die alten Schiedsgerichte im neuen Gewand. Denn der Vorschlag enthält die gleichen Klageprivilegien, die Konzerne auch unter ISDS eingeräumt werden. Es ist grundsätzlich nicht nachvollziehbar, warum es ein System braucht, das ausländischen Investoren ein exklusives, zusätzliches Klageprivileg einräumt, das nur dem ausländischen Investor, aber nicht inländischen Investoren oder anderen gesellschaftlichen Gruppen oder dem Staat selbst zur Verfügung steht. Jedem Unternehmen, das sich unfair behandelt fühlt, steht schon heute die Möglichkeit offen, gegen eine staatliche Entscheidung vor den nationalen Gerichten Klage einzureichen. ICS schafft eine Parallelstruktur zum nationalen Recht. Es gibt dem nationalen Rechtsweg weder einen Vorrang, noch muss jemals ein nationales Gericht mit dem Rechtsstreit befasst gewesen sein. Die dem ICS zugrunde liegenden Investitionsschutzverträge sind dabei einseitig auf den Schutz von Investitionen ausgerichtet, zu Lasten von anderen Rechtsgütern, wie etwa Umweltschutz oder Sozialstandards. Ein internationaler Handels- und Investitionsgerichtshof ist für uns nur dann ein geeignetes Gremium, wenn dieser den Klageweg für Investoren und für natürliche Personen eröffnet. Die Investoren dürfen nicht nur Rechte, sondern müssen auch Pflichten haben. Der Gerichtshof könnte im System der Vereinten Nationen verankert sein. Damit können auch andere internationale Verträge Bewertungsgrundlage für Entscheidungen des Gerichtshofs sein, wie zum Beispiel die Klimarahmenkonvention oder die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Starke Schutzstandards: Ziel statt Zielscheibe moderner Handelspolitik Ein zentrales Ziel von Freihandelsabkommen ist die Angleichung unterschiedlicher Standards in den verschiedenen Märkten. Mit der gegenseitigen Anerkennung und Harmonisierung von 50 Produktstandards und Regulierungsvorschriften soll der Marktzugang für Produkte und Dienstleistungen erleichtert werden, die unter anderen gesetzlichen Rahmenbedingungen produziert wurden. Von Seiten der Wirtschaft besteht dabei ein enormer Druck zum Abbau von Regulierungen, welche als Handelshemmnisse gesehen werden (nichttarifäre Handelshemmnisse). Während die 55 Verhandlungen weitestgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit und von zivilgesellschaftlichen Organisationen stattfinden, die einen Gegenpol zum Deregulierungsinteresse der Wirtschaft bilden könnten, erhalten Wirtschaftsvertreter*innen zahlreiche Mitsprachemöglichkeiten in den Verhandlungen. Aus Sicht der Verbraucher*innen gilt es häufig schon als Verhandlungserfolg, wenn bestehende 60 Standards gehalten werden können, neue Schutzstandards werden im Rahmen der Freihandelsabkommen in der Regel nicht geschaffen. Das Recht europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Politik, neue Regulierungen zu schaffen wird direkt oder indirekt beschränkt, das Vorsorgeprinzip wird in Frage gestellt. Die in TTIP und CETA geplante regulatorische Kooperation schafft ein Einfallstor für die Interessen gut organisierter Interessensgruppen bevor die demokratisch gewählten Parlamente sich überhaupt mit neuen Vorschlägen zur Gestaltung der Märkte befassen können. Wir halten dies für den falschen Weg. Statt uneingeschränkten freien Handel und den Abbau von Regulierung voran zu treiben, fordern Bündnis 90/Die Grünen Sachsen-Anhalt fairen Handel zum Schutz von Mensch und Umwelt. Wir fordern Handelsabkommen, welche neue Schutzstandards schaffen, indem sie internationale Akteure zu hohen ökologischen und sozialen Standards verpflichten. Auch kommunale Dienstleistungen drohen mit TTIP, CETA und TiSA unter Privatisierungsdruck zu kommen. Die in CETA enthaltenen Negativlisten halten wir für einen falschen und gefährlichen Weg. Grundsätzlich darf die kommunale Daseinsvorsorge nicht durch Handelsabkommen geschwächt oder gefährdet werden. Wir Grüne in Sachsen-Anhalt kritisieren die grundsätzliche Ausrichtung der Abkommen: In der Logik von TTIP und CETA werden Standards und Regulierungen als Handelshemmnisse betrachtet. Anstatt einen wirksamen Umwelt- und Verbraucherschutz als Ziel der Verhandlungen zu begreifen, machen TTIP und CETA ihn zur Zielscheibe. Für ein neues internationales Handelsregime – fairen Welthandel ermöglichen Wir fordern von der Bundesregierung und der europäischen Kommission eine grundsätzliche Neuausrichtung internationaler Handelspolitik. Die Verhandlungsmandate für TTIP und TiSA sind von Grund auf neu zu überarbeiten, die aktuellen Verhandlungen zu unterbrechen. Wir befürworten die Reformierung und Wiederbelebung der WTO. Gerade angesichts der Globalisierung dürfen die Interessen der Schwellen- und Entwicklungsländer nicht durch bilaterale Regelungen beiseite geschoben werden. Eine breite öffentliche Debatte und zivilgesellschaftliche Beteiligung in allen handelspolitischen Fragen ist für uns zwingend. Bestehende Handelsabkommen der EU sowie Deutschlands sind Das internationale Investitionsschutzregime muss grundsätzlich reformiert werden. Wir fordern einen multilateralen ständigen Gerichtshof unter dem Dach der Vereinten Nationen. Grundlage des Gerichtshofes müssen auch international vereinbarte soziale, menschenrechtliche, Umwelt- und Klimarelevante völkerrechtliche Verpflichtungen sein. CETA und TTIP greifen in die Kompetenzen der Mitgliedsländer und der deutschen 95 Bundesländer ein. Die Bundesländer haben besonders gegenüber den Selbstverwaltungsrechten der Kommunen eine besondere Schutzverantwortung. Wir setzten uns daher mit Nachdruck dafür ein, dass diese Abkommen als gemischte Abkommen dem Bundestag und Bundesrat zur Entscheidung vorgelegt werden. Wir fordern die EU-Kommission auf, Abkommen dieser Tragweite nicht zur vorläufigen Anwendung vorzuschlagen. Die Handelspolitik darf das staatliche Recht auf Regulierung im Sinne von Mensch und Natur nicht behindern und in Frage stellen. Aber fordern noch mehr. Statt in Handelsabkommen die eigenen Standards aufzuweichen, sollte die EU Kommission in internationalen Handelsabkommen hohe Umwelt- und Sozialstandars zur Bedingung für den Handel mit der EU machen. In einer guten an Mensch und Natur ausgerichteten Handelspolitik sehen Bündnis 90/Die Grünen potentiell ein wichtiges Instrument zur Weiterentwicklung internationaler Standards. Unser Ziel ist die Bewältigung drängender globaler Themen wie Klimaschutz, Menschenrechte, Umweltschutz, Armut und Gewalt. Mensch und Naturschutz sollten in diesem Sinne im Zentrum der europäischen Handelspolitik stehen. Mit starker grüner Stimme für eine zukunftsweisende Handelspolitik Die Bundesländer mit grüner Regierungsbeteiligung haben aktuell eine breite Mehrheit im deutschen Bundesrat. Die Grünen können in ihren Landesregierungen eine Enthaltung zu kritischen Entscheidungen erzwingen, welche wie ein Nein wirkt. Dieser Umstand macht die grünen Landesparteien – darunter Bündnis 90/Die Grünen Sachsen Anhalt – zu wichtigen Akteuren der Bundes- und Europapolitik. Dieser Verantwortung möchten wir in Zukunft noch stärker gerecht werden. Der vorliegende ausverhandelte CETA-Vertragstext ist für Bündnis 90/Die Grünen Sachsen- Anhalt nicht zustimmungsfähig. Die Parteiführung wird dazu aufgefordert, eine Zustimmung des Landes im Bundesrat zu verhindern. Der Vorstand wird aufgefordert die Gespräche mit den anderen Landesparteien zu intensivieren. Eine gemeinsame Stellungnahme aller grünen Landesverbände ist anzustreben, in dem die Zustimmung zu CETA in der vorliegenden Fassung ausgeschlossen wird. Den Vorstand von Bündnis 90/Die Grünen Sachsen Anhalt sowie die Beteiligten in der Landesregierung fordern wir dazu auf, offensiv gegenüber der Europäischen Kommission, dem Europarat, dem Europäischen Parlament, der Bundesregierung und der Öffentlichkeit zu verdeutlichen, dass wir CETA in der aktuellen Fassung im Bundesrat nicht zustimmen werden. Der Landesvorstand soll in Koordination mit den anderen Landesverbänden alle zur Verfügung stehenden Mittel dazu nutzen um Druck auf die europäischen Institutionen auszuüben, die aktuelle Handelsagenda zu stoppen und von Grund auf zu überarbeiten. Bündnis 90/Die Grünen Sachsen Anhalt wird die Handelspolitik zu einem Schwerpunkt der anstehenden Kampagnen und Wahlkämpfe machen.