Die Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete kritisch begleiten – Diskriminierungsfreiheit sicherstellen

Mit den Beschlüssen des deutschen Bundestages und des Bundesrates haben die Länder im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes nun zusätzlich zu bestehenden Wegen die Möglichkeit, Leistungen für Asylsuchende nun auch per Bezahlkarte auszureichen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sieht die derzeitigen Debatten um die Ausgestaltung dieser Maßnahme durch Länder und Kommunen kritisch.

Die Einführung der Bezahlkarte birgt die Gefahr, dass die gesellschaftliche Integration und Teilhabe durch Asylsuchende erschwert oder eingeschränkt wird. Hier bleiben wir mit Blick auf die Ausgestaltung der Bezahlkarte in den Kommunen aufmerksam. Neben offensichtlichen Problemen wie der Stigmatisierung durch eine mögliche Erkennbarkeit der Karte und den sozialen Hemnissen, die damit einhergehen, betrifft dies bspw. auch Kinder und ihre Bedarfe in hohem Maße.

Die gesellschaftliche Teilhabe soll dadurch gewährleistet sein, dass ein Teil der Summe als Bargeldbetrag abgehoben werden könne, wenn bspw. eine Kartenzahlung nicht möglich ist. Dennoch ist es höchst fragwürdig, inwieweit diese Geldbeträge ausreichen. Im Beispiel von Hamburg erhalten erwachsene Geflüchtete 50 € und Kinder 10 € im Monat. Dadurch ist soziale Teilhabe faktisch nicht möglich. Darüber hinaus ermöglicht die Bezahlkarte den Behörden, die Einkäufe der Nutzer*innen zu kontrollieren und vorzuschreiben, an welchen Orten eingekauft werden darf, was die Würde der Asylsuchenden stark verletzt.

Eine Bezahlkarte verlagert zudem nur die aktuelle Problemlage auf die Kommunen, die bereits jetzt mit einer Vielzahl von Herausforderungen im Umgang mit Geflüchteten konfrontiert sind. Die Kosten zur Einführung und Verwaltung der Karte führen zu einer zusätzlichen Belastung. Außerdem sollen Kommunen ermitteln, welche Bargeldbeträge für soziale Teilhabe vor Ort nötig wären. Das stellt einen immensen bürokratischen Aufwand dar, der in keiner Relation zum scheinbaren Nutzen der Bezahlkarte steht.

Darüber hinaus wird von einigen Akteur*innen gehofft, dass die Bezahlkarte Deutschland für Asylsuchende unattraktiver macht. Allerdings fliehen Asylsuchende nicht wegen der vermeintlich attraktiven Bedingungen nach Deutschland, sondern vor Hunger, Krieg und Verfolgung in ihren Herkunftsländern.

Die zuletzt auch durch einzelne CDU-Vertreter*innen vorgestellte Idee, solche Karten als Erfolgssystem zu betrachten und bspw. auf Bürgergeldempfänger*innen auszuweiten, ist nicht nur Ausdruck von zusätzlicher Gängelei, sondern auch potentiell verfassungswidrig.

Mit der jüngsten Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes steht neben Bezahlkarte und Geldleistung gleichrangig das Sachleistungsprinzip. Sachleistungen diskriminieren Geflüchtete im Zeitraum des Grundleistungsbezuges (36 Monate) und sind nicht mit unserer Vorstellung humanitärer Migrationspolitik und einer Willkommenskultur vereinbar. Daneben stellt die Sachleistungsgewährung Kommunen vor weitere logistische und finanzielle Herausforderungen. Die quasi-Wiedereinführung des Sachleistungsprinzips ist ein diskriminierender Rückschritt, ein großes Teilhabehemmnis und ein Einfallstor für autoritär-populistische Kräfte, welche damit über Fresspakete und Wertgutscheine ihre Vorstellung abschreckender, diskriminierender Asylpolitik umsetzen können.

Angesichts dieser Gefahren bestärken wir alle bündnisgrünen Kommunalpolitiker*innen in Sachsen-Anhalt sowie die bündnisgrüne Landtagsfraktion, sich gegen die Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete auszusprechen, wenn diese grundsätzliche Freiheiten von Asylsuchenden bei der Nutzung der ihnen zustehenden Mittel einschränkt. Die SocialCard der Stadt Hannover zeigt ein Beispiel, wie stattdessen eine diskriminierungsfreie Nutzung der Bezahlkarte ausgestaltet werden kann. Daran wollen wir uns politisch orientieren. Stattdessen soll der Zugang zu Girokonten in den Fokus gerückt werden, um größtmögliche Teilhabe zu gewährleisten und die Autonomie Geflüchteter zu stärken.

Beschlossen auf dem 50. Landesparteitag in Magdeburg am 4. Mai 2024.