Partizipative Jugendpolitik. Junge Menschen stärken ist generationen-gerecht

Jugendpolitik verhilft der Gruppe von Menschen, die sich im Werden und Wachsen befindet, zu fairen Chancen gegenüber anderen Generationen und gestaltet den Rahmen zur Entfaltung ihrer Entwicklungspotentiale. Diese Gruppe umfasst alle jungen Menschen unter 27 Jahre gemäß der Definition im Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII.) Da die Gruppe der Menschen, die aufgrund ihres Alters und ihrer Lebenserfahrung über gesellschaftliche Gestaltungsmacht verfügen aufgrund des demografischen Wandels immer größer wird, muss Politik bewusst die nachfolgende Generation junger Menschen Freiräume anbieten. Denn wir GRÜNE wollen die Energie, Kreativität und Offenheit junger Menschen gestaltend wirken lassen. Wir GRÜNE lehnen einen defizitären Ansatz ab, bei dem es nicht um spezifische Lebenswelt, Bedürfnisse und Rechte aus Sicht der jungen Menschen selbst geht, sondern Unzulänglichkeiten unterstellt und abgestellt werden.

Wir GRÜNE stehen für eine Politik, die Handlungsrahmen gemeinsam mit den in Sachsen- Anhalt lebenden jungen Menschen entwickelt, anstatt über niedrige Geburtenrate und Abwanderung zu debattieren. Damit die Lebenswelt und Lebenswirklichkeit junger Menschen in Sachsen-Anhalt ihren Niederschlag in politischen Programmen und Initiativen findet, ist deren direkte Einbeziehung grundsätzliche Leitlinie GRÜNER Politik. Wir GRÜNE wollen Einfluss und Beteiligungsmöglichkeiten von jungen Menschen stärken, um einer drohenden „Machtasymmetrie“ entgegenzuwirken. Es geht nicht um das Ausspielen der Generationen, sondern um einen gerechten Zugang zur politischen Partizipation für alle, von dem alle profitieren. Dazu müssen die einen Macht abgeben, damit die anderen Macht gewinnen können.

Wir GRÜNE wollen die hier und jetzt bei uns im Land lebenden jungen Menschen in den Blick nehmen. Ihre Positionen und Interessen hören und die Impulse in politische Entscheidungen einfließen lassen. Denn Kinder und Jugendliche sind nicht nur unsere Zukunft, sondern sie sind auch jetzt schon Teil der Gesellschaft und müssen begleitet werden. Ihnen gehört -wie uns- auch die Gegenwart. Für uns GRÜNE ist partizipative Jugendpolitik eine Frage der Generationengerechtigkeit. Wir als AkteurInnen in Politik, wir als Erwachsene müssen jungen Menschen mehr zutrauen. Ob es die Kinder in der Kita sind, Jugendliche in der Schule, Azubis im Betrieb oder StudentInnen an Hochschulen. Ihre Stimme muss mehr Gewicht erhalten, denn ihre Kritik, Ideen und Potentiale sind ein Gewinn für die gesamte Gesellschaft sein.
Wir GRÜNE unterstützen ausdrücklich Bestrebung, eine eigenständige Jugendpolitik zu etablieren, neben Kinder- und Schulpolitik. Die Initiative unserer Landtagsfraktion, ein jugendpolitisches Programm für Sachsen-Anhalt zu entwickeln und junge Menschen direkt einzubeziehen wird begrüßt.

1. Beteiligung als Kinder- und BürgerInnenrecht

GRÜNE Politik lässt sich davon leiten, Kinder und Jugendliche als BürgerInnen ernst zu nehmen. Nicht erst mit der Volljährigkeit wird der Mensch zur BürgerIn, sondern von Geburt an ist der Mensch Teil der politischen, gesellschaftlichen Gemeinschaft. Das muss in allen Institutionen des gesellschaftlichen Lebens sichtbar werden. Von der Kita bis zur Universität, von der Grundschule bis in die berufliche Bildung, vom Stadtplanungsamt bis zum Kreistag, vom Sportverein bis zur Jugendbildungsstätte.

Kinderrechte sind dafür der Grundkonsens, sind die verbrieften Grundrechte der jungen Generation. Sie müssen universell, unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder Staatsangehörigkeit gelten. Ihre Verankerung in die Landesverfassung sehen wir GRÜNE als einen wichtigen Schritt hin zu einer Stärkung der Stellung junger Menschen. Doch es braucht noch viel mehr als die bloße Niederschrift. Kinderrechte müssen lebendiger Bestandteil des Alltags in Kitas und Schulen werden und wirklich gelebt werden. Zudem braucht es mittelfristig ein Beschwerdemanagement in den Gemeinden wie bspw. Kinder- und Jugendbeauftragte oder Kinder- und Jugendbüros um Unterstützungsleistungen hin zu einer mittelfristigen Einklagbarkeit gewährleisten zu können.

Kinder sind in einer enormen rechtlichen Abhängigkeit zu ihren Sorgeberechtigten. Dieses rechtliche Verhältnis ist nicht grundsätzlich falsch, aber widerspricht an einzelnen Stellen einer emanzipierten Kindheit und kann der Wahrung von Kinderrechten mitunter im Wege stehen. Für uns leitet sich das Sorgerecht nur aus dem Kindeswohl her, nicht aus etwaigen Ansprüchen auf Kinder und bedarf daher an einigen Stellen der Überprüfung.

Deshalb setzen wir uns ein für:

  • Kinderrechte in die Landesverfassung und baldmöglichste Einklagbarkeit gewährleisten
  • Verbindliche Vermittlung und lebendiges Leben von Kinderrechten in Kindertageseinrichtungen, Schulen und außerhalb der Institutionen

Wirkliche Beteiligung junger Menschen braucht unterstützende Strukturen, die es von Seiten der Politik bereitzustellen gilt. Auch heißt wirkliche Beteiligung Machtabgabe. Ob die ErzieherInnen in der Kita, die LehrerInnen in der Schule oder die MandatsträgerInnen in Stadtrat oder Kreistag, sie alle müssen ihre Entscheidungskompetenz zurücknehmen und jungen Menschen Gestaltungsspielraum geben.

Wir GRÜNE gehen davon aus, Kinder frühzeitig zu beteiligen, setzt einen selbsttragender Prozess in Gang. Je eher desto besser: Beteiligung soll von außen (extrinsisch) an junge Menschen vermittelt werden, damit sich eine eigene innere (intrinsische) Motivation entwickelt. Neben der Bildungsbiografie, die heute noch allein im Fokus der Betrachtung junger Menschen steht, brauchen wir die bewusste Gestaltung einer Beteiligungsbiografie. Dafür den gesetzlichen Rahmen zu schaffen ist Ziel GRÜNER Politik. Beginnen müssen wir in der Kita, denn hier wird der Grundstein für lebenslange Handlungsmotivationen gelegt.

Das Land muss den allgemeinen rechtlichen Rahmen setzen, der es Kindern und Jugendlichen ermöglicht, all ihre Fähigkeiten zu entfalten und unsere Gesellschaft zukunftsgerecht mit Unvoreingenommenheit und Kreativität mitzugestalten.

Deshalb setzen wir uns auf Landesebene ein für:

  • die Verankerung von Jugendinitiativen (mit niedrigeren Quoren im Vergleich zu den geltenden Vorschriften für Wahlberechtigte in Sachsen-Anhalt) in die Landesverfassung aufzunehmen, die eine verbindliche Befassung des Landtags mit dem Thema nach sich ziehen
  • Absenkung des Wahlalters des aktiven Wahlrechts bei Kommunal-, Landtags-, Bundestags- und Europawahlen auf 14 Jahre
  • Öffnung des Wahlrechts für alle Menschen ab 14 Jahren unabhängig von der Staatsbürger_innenschaft, die ihren Lebensmittelpunkt mindestens ein Jahr in der BRD haben und in Sachsen-Anhalt gemeldet sind.
  • Konzeptionelle Entwicklung unserer Kindertagesstätten zu Kinderstuben der Demokratie (nach Vorbild von Schleswig-Holstein)
    eine Landesjugendvertretung zur Koordinierung der kommunalen Gremien (vergleichbar dem Landesseniorenrat)
  • Stärkung der Unabhängigkeit des Kinderbeauftragten auf Landesebene und Ausweitung der Zuständigkeit auf Jugendliche

Für eine institutionelle Stärkung von Partizipation braucht es flächendeckende Strukturen, die es jungen Menschen in einem geschützten und barrierefreien Raum ermöglichen, Debatten zu führen und sich zu organisieren. Junge Menschen sind in der heutigen Zeit sehr viel mehr als in früheren Jahrzehnten in der Lage, Zusammenhänge in der gesellschaftlichen Realität zu erkennen und Zusammenhänge zu bewerten.
Der Zugang und die Beteiligung an diesen Gremien sind sowohl geschlechtersensibel wie inklusiv und unabhängig von Herkunft sowie Staatsangehörigkeit zu konzipieren. Dabei sollten sich die Strukturen und Foren den jungen Menschen und ihren Bedarfen anpassen und nicht umgekehrt. Es gibt kein Patentrezept für ein Beteiligungsgremium, sondern die Bedarfe und Wünsche vor Ort sollen leitende Faktoren für die Ausgestaltung der Gremien sein. Darauf muss Landespolitik gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden hinwirken und zugleich ist eine finanzielle Förderung dieser Strukturen sicherzustellen.

Aber auch im täglichen Leben, bei Gestaltung des Lebensumfeldes oder der Verteilung von Gestaltungsmacht sind junge Menschen stärker zu beteiligen. Wir GRÜNE wollen auch hier mehr Generationengerechtigkeit schaffen und echte Partizipation ermöglichen. Junge Menschen sind verbindlich in alle Belange der Kommune einzubeziehen, wenn sie es denn wollen, bspw. bei Planungs- und Bauvorhaben. Hilfreich sind Strukturen und Kenntnisse in der Verwaltung, die unterstützend wirken.

In Konfliktfällen braucht es aus GRÜNER Sicht einen Anwalt des jungen Menschen, der zwischen seinen Rechten, den Anforderungen des Jugendamtes und den Ansprüchen der Eltern vermittelt. Dies hilft, nachhaltige Entscheidungen vor Ort zu treffen.

Deshalb setzen wir uns auf Kommunalebene ein für:

  • Kinder- und Jugendgremien in Kreisen und kreisfreien Städten mit Rederecht und Beratungsfunktion in kommunalen Ausschüssen (vergleichbar den Sachkundigen EinwohnerInnen)
    Kinder- und Jugendbeauftragte in jedem Kreis und jeder Kreisfreien Stadt in möglichst unabhängiger Stellung
  • Verbindliche Regelungen zur Beteiligung junger Menschen in der Gemeindeordnung bzw. des in Erarbeitung befindlichen Kommunalverfassungsgesetzes
    Weiterbildungsangebote für MitarbeiterInnen der Verwaltung zur Moderation von Beteiligungsverfahren
  • Unabhängige Ombudschaftsstellen in der Jugendhilfe, die ggf. die Einklagbarkeit der Kinderrechte namens der noch nicht geschäftsfähigen Kinder wahrnehmen.

2. Mehr Partizipation in Bildungseinrichtungen

Bildung sollte in erster Linie als Befähigung zum eigenverantwortlichen Handeln verstanden werden, doch an vielen Stellen in der Kinder-, Jugend- und Bildungspolitik sind wir von diesem Verständnis noch weit entfernt. In der Bundesrepublik und auch in der sachsen-anhaltischen Landespolitik verstehen viele AkteurInnen Bildung noch immer als die reine Vermittlung einer Sammlung von Allgemeinwissen. Wir GRÜNE sind der Auffassung, dass nicht nur Lesen, Schreiben und Rechnen in die Debatte gehören, sondern die Frage wie wir die Bildung des ganzen Menschen ermöglichen können. Bildung zur Selbstbildung und Erwerb von Sozialkompetenzen sind Ziele GRÜNER Politik. Engagiertes und partizipatives Handeln junger Menschen darf nicht nach Kita und Grundschule aufhören. Auch in weiterführenden Bildungseinrichtungen muss es normaler Alltag sein, dass junge Menschen sich einbringen und ihr Lebensumfeld mit gestalten. Neben den klassischen Bildungsinhalten müssen Bildungseinrichtungen auch klassische Orte von Demokratiebildung werden. Wir GRÜNE setzen darauf, dass engagierte Kindergartenkinder, engagierte SchülerInnen werden. Wir setzen darauf, dass sie von engagierten LehrerInnen und andere pädagogischen Fachkräften in dieser Entwicklung unterstützt werden.

Deshalb setzen wir uns ein für:

  • Elemente von Beteiligungslernen in Aus- und Weiterbildung von PädagogInnen

Das Erlernen von demokratischen Kompetenzen – Ansichten vertreten, Argumente gewichten, andere Perspektiven einnehmen, Mehrheitsentscheidungen zu akzeptieren – muss von Beginn an konstitutionelles Moment moderner Pädagogik sein. Daher ist besonderes Augenmerk auf die Kindertageseinrichtungen als erste Bildungseinrichtung im Lebenslauf zu legen. Im GRÜNEN Sinne sollen Kitas zu Kinderstuben der Demokratie werden. Das Kinderförderungsgesetz schreibt die Beteiligung von Kindern bei der Gestaltung des Alltags und der Organisation der Kita vor. Auch das neue Bildungsprogramm betont die Wichtigkeit von Beteiligung. Leider wird aber keine Verbindung zu einer Demokratiepädagogik gezogen.

Um die Bedeutung von Kinderbeteiligung in den Kindereinrichtungen zu erhöhen ist das Land gefordert MultiplikatorInnen für Kinderbeteiligung auszubilden und deren Einsatz in den Einrichtungen mit zu finanzieren. Zu Demokratisierung der Schulen sind Anstrengungen nötig, damit LehrerInnen, Eltern, SchülerInnen und pädagogische Fachkräfte sich gleichberechtigt und auf Augenhöhe in Gestaltung von Schule einbringen und entscheiden können.

Deshalb setzen wir uns ein für:

  • MultiplikatorInnen zur Fachberatung der Kindertageseinrichtungen vor Ort und Foren zum überregionalen (Erfahrungs-)Austausch der Fachkräfte
  • Drittelparität plus der Gesamtkonferenz in Schulen
  • Klassenrats-Kampagne (Werbung für dieses Beteiligungsinstrument und Qualifizierung)

3. Verantwortungsübernahme ermöglichen

Wir GRÜNE halten die nicht formale Bildung für unverzichtbar, um in Ergänzung des Lernens in Institutionen Potentiale junger Menschen optimal zum Nutzen aller Generationen entfalten zu können. Es müssen neue und kreative Wege gegangen werden, um formales, non-formales und informelles Lernen miteinander zu verbinden. Freie Träger und Jugendverbände sind dafür tragende Säulen. Sie geben jungen Menschen die Möglichkeit in teilweise geschützten Räumen selbstbestimmt zu Handeln ohne festgelegten Plan, hier können sich junge Menschen ausprobieren, ihre Grenzen abstecken und haben die Chance, dies mit professionellen BegleiterInnen zu tun und sich zu überprüfen. Freie Träger ermöglichen durch ihre vielfältige Arbeit u. a. die Förderung der gesellschaftlichen Partizipation, die Entwicklung von Selbstkompetenz im Umgang mit eigenen Lebensentwürfen und stärken die soziale Kompetenz.

Hier müssen wir für höhere gesellschaftliche Anerkennung streiten, aber auch Formen der Abrechenbarkeit finden. Es ist notwendig, Jugendarbeit und Jugendbildungsarbeit aus der freiwilligen Ecke zu holen und ihr eine Verbindlichkeit zu geben, die nicht vom persönlichen Engagement Einzelner oder dem Verlauf jährlicher Haushaltsverhandlungen abhängig ist.

Deshalb fordern wir:

  • Auskömmliche Ausstattung des Kinder- und Jugendrings und seiner Mitgliedsverbände
    Fortführung von Jugendpauschale und Fachkräfteprogramm in der Jugendarbeit mit gesetzlicher Verankerung
  • Fortführung des Programms Jugendleitercard (Juleica)
  • kontinuierliche Fortbildungsangebote für Fachkräfte der Jugendarbeit und ein
    Laufbahnmanagement

Dabei spielt die Ermöglichung von Verantwortungsübernahme – in der Fachsprache Empowerment – eine Kernrolle, da es die Zielsetzung beinhaltet, Kinder und Jugendliche so zu befähigen und zu unterstützen, das sie ihre eigenen Ziele, Vorstellungen und Pläne erkennen und umzusetzen können.

Dazu braucht es eine Vielzahl von Möglichkeiten sich selbst zu erfahren und auszuprobieren, sei es im Rahmen eines Freiwilligendienstes, in einem Ehrenamt oder im Vereinsleben. Wir GRÜNE stehen dafür, jungen Menschen Strukturen und Möglichkeiten anzubieten über die sie Kompetenzen erlernen können, um die Brücke zwischen Anforderungen der Gesellschaft und subjektiven Bedürfnissen in Balance halten zu können. Wir GRÜNE sehen uns in der Verantwortung, durch gesetzliche Rahmensetzungen freiwilliges Engagement dauerhaft zu ermöglichen. Die unterschiedlichen Gegebenheiten in städtischen und ländlichen Quartieren sind zu berücksichtigen. Wenn Jugendliche sich freiwillig und ehrenamtlich engagieren, muss die Gesellschaft den Rahmen schaffen.

Deshalb setzen wir uns ein für:

  • Bereitstellung ausreichender Finanzmittel für Freiwilligendienste im In- und Ausland
  • Kostenlose ÖPNV-Tickets für alle SchülerInnen, auch außerhalb der Schulwege