Auslobung des Hans-Jochen-Tschiche Gedenkpreises

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sachsen-Anhalt loben den Hans-Jochen-Tschiche Gedenkpreis zur Förderung von Engagement, Demokratie und Parlamentarismus aus und vergeben diesen erstmalig im Jahr 2017.

Hans-Jochen-Tschiche – Ein Mutmacher für die Demokratie
Ein Nachruf

„Eines der letzten öffentlichen Fotos zeigt Hans-Jochen Tschiche vor einem Bücherregal sitzend, in welchem sich Gartenratgeber, Kunstbildbände, philosophische Schriften und theologische Werke reihen. Das Bild verrät Hans-Jochen Tschiche als einen, der als Christ, Theologe, Bürgerrechtler und Politiker beständig die Wirklichkeit prüfte an dem, wofür er einstand: demokratische Konfliktfähigkeit, Verantwortung und Solidarität. Diese Tugenden pflegte Hans-Jochen Tschiche unabhängig von Amt oder Mandat. Es war seine Haltung. Er hatte ein feines Gespür dafür, wenn die Rechte von Minderheiten in Bedrängnis gerieten, und trat für sie ein. Damit machte er sich nicht nur Freunde. Als er sich für die Rechte zweier ehemaliger Sexualstraftäter in Insel engagierte, brachte ihm dies vielfältige Anfeindungen ein, die er gelassen zurückwies.

Hans-Jochen Tschiche war ein Mutmacher in mutloser Zeit. In den bleiernen 1980er Jahren der DDR suchte er gemeinsam mit Menschen aus der oppositionellen Friedens- und Umweltbewegung Auswege aus dem gesellschaftlichen Stillstand. In Seminaren und Samizdatzeitschriften forderte er, was andere nicht einmal zu denken wagten: eine radikale Demokratisierung der Gesellschaft. Als Gründungsmitglied des Neuen Forums gab er Impulse für eine Erneuerung der DDR. Schon zuvor war Tschiche gegen den Strom geschwommen. Er hatte die Niederschlagung des Prager Frühlings kritisiert und den Protest gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns unterstützt.

Wenige Jahre später war Tschiche Fraktionsvorsitzender der Bündnisgrünen im Landtag von Sachsen-Anhalt, als auch hier Asylbewerberunterkünfte angegriffen und Migrant*innen von Neonazis gehetzt wurden. Betroffenheit als Antwort reichte Tschiche nicht. Seine Fraktion gab eine Untersuchung in Auftrag, die sich mit den Erscheinungsformen des Rechtsextremismus in Sachsen-Anhalt befasste und die gesellschaftliche Debatte darüber forderte.

Nach dem Wahlerfolg der DVU in Sachsen-Anhalt wurde diese Debatte dringlicher und breiter. Hans- Jochen Tschiche ermöglichte gemeinsam mit den beiden, damals die Landesregierung tragenden Parteien SPD und PDS einen echten Dialog zwischen zivilgesellschaftlichen Initiativen und Politik darüber, wie eine Zurückdrängung von Rechtsextremismus und die mühsame Graswurzelarbeit der Demokratisierung der Gesellschaft aussehen kann. An diesem Prozess, der zur Gründung des Vereins Miteinander führte, waren viele mit ihren Ideen beteiligt: Sozialwissenschaftler*innen, Aktivist*innen, Politiker*innen, Gewerkschafter*innen sowie Vertreter*innen der Kirchen. Über fünfzehn Jahre, von 1999 bis 2014, hat Hans-Jochen Tschiche den Verein als Vorstandsvorsitzender durch manche Stürme geführt und unsere Profilierung begleitet. Miteinander e.V. profitierte von seinen Erfahrungen, seiner Gelassenheit und seiner Konfliktfähigkeit.“

Der Hans-Jochen-Tschiche-Gedenkpreis, wendet sich an Menschen, die für ihre herausragende Arbeit für eine offene, plurale und demokratische Gesellschaft in Sachsen-Anhalt ausgezeichnet werden sollen. Arbeit gegen Rassismus, Antisemitismus und alle anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, die zu Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt führen, stehen im Fokus dieses Preises. Ein besonderes Anliegen war Hans-Jochen Tschiche die Stärkung demokratischer Akteur*innen der Zivilgesellschaft, des Parlamentarismus und nicht-rechter Jugendlicher sowie die Unterstützung von Opfern rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt. Dies gilt es auch weiterhin zu fördern.

Mitmachen lohnt sich! Eine herausragende Arbeit oder ein herausragendes Projekt wird mit 1.000 Euro ausgezeichnet und öffentlich bekannt gemacht.

Der Hans-Jochen-Tschiche-Gedenkpreis wird in einem zweijährigen Turnus ausgeschrieben. Bewerben können sich alle, die für demokratische Werte einstehen.

Preis und Förderung

Gewinner*innen des Hans-Jochen-Tschiche Gedenkpreises erhalten als Auszeichnung eine Urkunde und einen Geldpreis in Höhe von 1.000 Euro. Durch die Veröffentlichung ihres Wirkens wird die Tätigkeit oder Arbeit in der Öffentlichkeit bekannter.
Veröffentlichung: Das Wirken der/des Gewinner*innen wird durch die Preisverleihung und Berichte in den Medien des Landesverbandes (Webseite, Newsletter, etc.) und soweit möglich einem Sonderdruck veröffentlicht.
Der Preis wird von den Landesvorsitzenden und einem Mitglied der Familie Tschiche öffentlichkeitswirksam vergeben.

Bewerbung

Der Hans-Jochen-Tschiche-Gedenkpreis sucht Menschen und Initiativen, die sich für eine offene, plurale und demokratische Gesellschaft in Sachsen-Anhalt einsetzen.
Erforderlich sind eine schriftliche aussagekräftige, aber formlose, Bewerbung und ein Motivationsschreiben.

Öffentlich ausgeschrieben wird der Preis zum 31. Januar eines jeden Jahres, in dem der Preis vergeben wird. Einsendeschluss für die Bewerbung oder Vorschläge ist jeweils der 10. Mai dieses Jahres (ein halbes Jahr vor dem Geburtstag von Hans-Jochen-Tschiche). Es gilt das Datum des Poststempels.

Es können sich Menschen und Initiativen für diesen Preis bewerben, die in der Analyse, Beratung, Unterstützung und (Jugend-)Bildung tätig sind mit dem Ziel, einen Beitrag zur Stärkung der demokratischen und parlamentarischen Kultur in Sachsen- Anhalt zu leisten.

Auch können Vorschläge für den Gedenkpreis unterbreitet werden in den Bereichen:

  • Zurückdrängung des Rechtsextremismus
  • Abbau von Alltagsrassismus und anderer Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit
  • Unterstützung von Opfern rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt
  • Aktivierung und Stärkung kommunaler demokratischer Akteur/innen
  • Stärkung und Unterstützung zivilgesellschaftlicher Strukturen
  • Stärkung und Unterstützung von Demokratie und Parlamentarismus
  • Förderung demokratischer und weltoffener Jugendkulturen
  • Förderung von Demokratie als Wirk- und Gestaltungsprinzip
  • Partizipation von Jugendlichen
  • Integration von Flüchtlingen und Migrant/innen
  • Förderung interkultureller Kompetenz